Vom göttlichen Wohlgeruch.
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die Dichtung eingezogen und ist dort vom Mittelalter bis in unsere
Zeit lebendig geblieben1. Aber eine Betrachtung der Geschichte
des Duftsymbols in Literatur und Volksglauben der letzten Jahr-
hunderte, führt über den Rahmen dieser Arbeit hinaus2.
naro, Bischofs und Märtyrers, Patrons der Stadt Neapel“, der von F. di Do-
menico 1884 gehalten wurde, heißt es: „Unverwest und wohlriechend ist der
Körper einer Gaterina in Bologna, eines Ubaldo in Gubbio, einer Zita in Lucca,
einer Teresa in Spanien, eines Xaver in Indien.“ Angabe der Stellen und
Übersetzung bei Th. Trede, Das Heidentum in der römischen Kirche, wo
in einem Kapitel über „olympischen Wohlgeruch“ eine Fülle Beispiele der
letzten Zeit zusammengestellt sind (Bd. II, 122—138; vgl. auch 1,38. 161.
208. 210; II, 385 f. 387). Noch heute ist „der Duft der Heiligen“ ein
nicht allzu seltenes Predigtthema in katholischen Kirchen.
1 Einige Beispiele aus dieser Geschichte des Bildes seien kurz an-
geführt: Dantes göttliche Komödie, in der die Himmelskönigin Maria unter
dem Bilde der Himmelsrose geschaut wird, deren Duft alle himmlischen
Räume durchdringt (Himmel, Gesang XXX, 19—130; XXXI, 1 —30); Goethes
Faust, wo in der Szene der Rosen spendenden Engel (II. Teil, V. Akt) das
Duftsymbol in neuer Deutung auflebt. Mörike hat in dem Gedicht „Auf
eine Ghristblume I“ Züge aus den Heiligenlegenden neu lebendig gemacht:
In deines Busens goldner Fülle gründet
Ein Wohlgeruch, der sich nur kaum verkündet;
So duftete berührt von Engelhand,
Der benedeiten Mutter Brautgewand.
■endlich hat in unserer Zeit Stefan George in einem Gedicht aus dem
SiebentenRing,,Lobgesang“Motive des Dionysos-Mythus wieder aufgenommen:
„Du bist mein Herr! Wenn du auf meinen Weg
Viel wechselnder Gestalt, doch gleich erkennbar
Und schön erscheinst, beug ich vor dir den Nacken.
. Ich werfe duldend meinen Leib zurück,
Auch wenn du kommst mit deiner Schar von Tieren,
Die mit den scharfen Klauen Mäler brennen,
Mit ihren Hauern Wunden reissen, Seufzer
Erpressend und unnennbares Gestöhn.
Wie dir entströmt Geruch von weicher Frucht
Und saftigem Grün, so ihnen Dunst der Wildnis.“
Die lebendige Fülle des alten griechischen Bildes ist in einem anderen
Worte aus Georges „Der Teppich des Lebens“ wieder eingefaßt, wo in dem
Vorspiel, in dem Zwiegespräch zwischen Seele und Engel die Seele spricht:
Gib mir den großen feierlichen Hauch
Gib jene Glut mir wieder die verjünge
Mit denen einst der Kindheit Flügelschwünge
Sich hoben zu dem frühsten Opferrauch.
Ich mag nicht atmen als in deinem Duft,
Verschließ mich ganz in deinem Iieiligtume!
2 Die religiöse Vorstellung konnte hier an Bilder der täglichen Rede
anknüpfen, wie „in gutem oder schlechtem Geruch stehen“ u. ä.; und hat zu
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die Dichtung eingezogen und ist dort vom Mittelalter bis in unsere
Zeit lebendig geblieben1. Aber eine Betrachtung der Geschichte
des Duftsymbols in Literatur und Volksglauben der letzten Jahr-
hunderte, führt über den Rahmen dieser Arbeit hinaus2.
naro, Bischofs und Märtyrers, Patrons der Stadt Neapel“, der von F. di Do-
menico 1884 gehalten wurde, heißt es: „Unverwest und wohlriechend ist der
Körper einer Gaterina in Bologna, eines Ubaldo in Gubbio, einer Zita in Lucca,
einer Teresa in Spanien, eines Xaver in Indien.“ Angabe der Stellen und
Übersetzung bei Th. Trede, Das Heidentum in der römischen Kirche, wo
in einem Kapitel über „olympischen Wohlgeruch“ eine Fülle Beispiele der
letzten Zeit zusammengestellt sind (Bd. II, 122—138; vgl. auch 1,38. 161.
208. 210; II, 385 f. 387). Noch heute ist „der Duft der Heiligen“ ein
nicht allzu seltenes Predigtthema in katholischen Kirchen.
1 Einige Beispiele aus dieser Geschichte des Bildes seien kurz an-
geführt: Dantes göttliche Komödie, in der die Himmelskönigin Maria unter
dem Bilde der Himmelsrose geschaut wird, deren Duft alle himmlischen
Räume durchdringt (Himmel, Gesang XXX, 19—130; XXXI, 1 —30); Goethes
Faust, wo in der Szene der Rosen spendenden Engel (II. Teil, V. Akt) das
Duftsymbol in neuer Deutung auflebt. Mörike hat in dem Gedicht „Auf
eine Ghristblume I“ Züge aus den Heiligenlegenden neu lebendig gemacht:
In deines Busens goldner Fülle gründet
Ein Wohlgeruch, der sich nur kaum verkündet;
So duftete berührt von Engelhand,
Der benedeiten Mutter Brautgewand.
■endlich hat in unserer Zeit Stefan George in einem Gedicht aus dem
SiebentenRing,,Lobgesang“Motive des Dionysos-Mythus wieder aufgenommen:
„Du bist mein Herr! Wenn du auf meinen Weg
Viel wechselnder Gestalt, doch gleich erkennbar
Und schön erscheinst, beug ich vor dir den Nacken.
. Ich werfe duldend meinen Leib zurück,
Auch wenn du kommst mit deiner Schar von Tieren,
Die mit den scharfen Klauen Mäler brennen,
Mit ihren Hauern Wunden reissen, Seufzer
Erpressend und unnennbares Gestöhn.
Wie dir entströmt Geruch von weicher Frucht
Und saftigem Grün, so ihnen Dunst der Wildnis.“
Die lebendige Fülle des alten griechischen Bildes ist in einem anderen
Worte aus Georges „Der Teppich des Lebens“ wieder eingefaßt, wo in dem
Vorspiel, in dem Zwiegespräch zwischen Seele und Engel die Seele spricht:
Gib mir den großen feierlichen Hauch
Gib jene Glut mir wieder die verjünge
Mit denen einst der Kindheit Flügelschwünge
Sich hoben zu dem frühsten Opferrauch.
Ich mag nicht atmen als in deinem Duft,
Verschließ mich ganz in deinem Iieiligtume!
2 Die religiöse Vorstellung konnte hier an Bilder der täglichen Rede
anknüpfen, wie „in gutem oder schlechtem Geruch stehen“ u. ä.; und hat zu
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