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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 12. Abhandlung): Vom doppelten Sinn der sprachlichen Formen — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37779#0006
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Hermann Ammann:

wechselbaren identischen Beziehung und zwar in unseren Fällen
einer objektiven, in Raum und Zeit orientierten Beziehung.
Andererseits besteht aber auch ein sehr enges Verwandtschafts-
verhältnis zwischen Eigennamenfunktion und qualitativer Indivi-
dualität.
Qualitative Individualität ist nicht oder doch nicht immer
durch eine Summe bestimmter, in dieser Mischung nur diesem
Gegenstände zukommender Eigenschaften auszudrücken. Wenn es
bei Dingen, wie wir sahen, denkbar ist, ihre qualitative Besonder-
heit, soweit sie überhaupt im Bewußtsein lebt, durch Summieren
von Eigenschaften oder Größen- und Maß Vorstellungen vollständig
zu erschöpfen, so ist gerade bei dem typischen Fall des individuell-
identischen Gegenstandes, bei der Persönlichkeit, die Anschauung,
wie sie in der Vorstellung lebt, unmöglich durch noch so um-
ständliche Häufung von Attributen zu ersetzen, und vor allem,
selbst wenn es gelänge, etwa die Linien des Gesichts in mathe-
matischen Ausdrücken zu erfassen, so würde dadurch gerade das
verwischt werden, was in mir als das Individuell-Besondere der
Persönlichkeit lebt. So erhält der Eigenname neben der ihm primär
zukommenden Funktion, den Träger einer identisch bestimmten
Beziehung zu kennzeichnen, die weitere, das individuelle, nicht in
eine Summe von Eigenschaften aufzulösende und nicht aus ihnen
aufgebaute Bild dieses Trägers lebendig werden zu lassen. Dieses
individuelle Bild ist von der Beziehung selbst, ist ebenso von dem
Namen durchaus ablösbar; desgleichen dieser seihst wieder von
der Beziehung. Dies gilt nicht nur im begrifflichen Sinne, sondern
auch realiter: ich kann mich des Bildes — des optischen oder
geistigen —• erinnern, ohne daß mir der Name einfällt; ich kann
mich andererseits des Namens erinnern, ohne daß mir das Bild
erscheinen will, oder ohne daß mir die Beziehung klar wird, die
er für mich repräsentieren soll; ich kann Bild und Name haben
und doch über die Beziehung im Unklaren sein usw. Aber normaler
Weise, d. h. bei vollständiger Erfüllung der Eigennamenfunktion
bildet das Bewußtsein der besonderen Beziehungsrichtung mit der
individuell gefärbten, unverwechselbaren Anschauung einen unlös-
baren Komplex, der als Ganzes mit der Nennung des Eigennamens
lebendig wird.
Freilich sind Eigennamen als reine Beziehungsträger ohne
irgendwelche (oder doch nur mit schattenhaft durch den Klang des
Namens erweckten) anschaulichen Züge oder sonst charakteristische
 
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