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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 12. Abhandlung): Vom doppelten Sinn der sprachlichen Formen — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37779#0014
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14

Hermann Ammann:

und ist also letzten Endes ethisch-praktischer Art. Zu den Per-
sonalakten, die sozusagen jedermann über seine Bekannten führt,
werden neue Stücke beigeheftet, um gelegentlich, wenn wieder eine
Berührung mit der Person stattfindet, eingesehen und berücksichtigt
zu werden. Der Vermerk verreist oder verlobt oder erkrankt ge-
winnt dann praktische Bedeutung, indem der von mir belehrte
Hörer einen beabsichtigten Besuch verschiebt, seinen Glückwunsch
ausspricht, sich nach dem Befinden des Erkrankten erkundigt. Die
Mitteilung weist also über sich hinaus, indem sie die möglichen
zukünftigen Beziehungen des Hörenden zu ihrem Gegenstände ins
Auge faßt.
Freilich gibt es auch Gegenstände, die uns nur „theoretisch“
interessieren, und demgemäß Behauptungen, deren Gültigkeit oder
Ungültigkeit nur für unser Erkennen, nicht für unser Handeln in
Frage kommt. Aber auch das Urteil ist ja eine Art der Tätigkeit,
und der wissenschaftliche Gedankenaustausch eine Form des Ge-
meinschaftslebens; wenn wir einen wissenschaftlichen Satz aus-
sprechen, so haben wir das praktische Interesse, den Hörer über
den in ihm ausgesprochenen Zusammenhang zu belehren, sein Ur-
teil darüber bestimmend zu beeinflussen. Die wissenschaftliche
Darstellung hat, sofern sie sich an einen Hörer oder Leser wendet,
soziale Funktion so gut wie die rein praktische Feststellung. Auch
der wissenschaftliche Satz weist über sich hinaus — eine These,
deren Bedeutung für den Sinn des Urteilsaktes hier nicht zu er-
örtern ist. Mag nun die Struktur der theoretischen Zusammenhänge
auch eine wesentlich andere sein als die der praktischen: gemein-
sam ist beiden Formen des Zusammenhangs, daß Gegenstände in
ihnen eine feste Stelle finden, die Bezeichnung des Gegenstandes
unser Interesse in richtungsmäßig eindeutiger Weise bestimmt. Da-
her können in theoretischem Zusammenhang auch allgemeine
Begriffe die Bolle des „Themas“ übernehmen. Mit dem Begriff
Hund verbindet uns ein eindeutig bestimmtes theoretisches In-
teresse; im Zusammenhang unseres theoretischen Denkens hat „der“
Hund ebenso seine feste Stelle, wie im Zusammenhang unseres
sozial-praktisch orientierten Denkens der Hund meines Nachbarn
seine feste Stelle hat. Hier, im theoretischen Denken, fungiert der
allgemeine Begriff wie ein Name, zur Bezeichnung von etwas, was
für mein geistiges Leben eine eindeutig bestimmte Funktion hat.
Dem Begriff der Mitteilung läßt sich der Befehl, der Wunsch
als Mitteilung meines Willens, die Frage als Mitteilung des Wissen-
 
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