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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 12. Abhandlung): Vom doppelten Sinn der sprachlichen Formen — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37779#0018
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18

Hermann Ammann :

zum praktischen Interesse wird sehr deutlich in Fällen, wo wir erst
im Laufe der Erzählung merken, daß der Gegenstand auf uns Be-
ziehung hat, daß es sich etwa um uns bekannte Personen handelt.
In der Wirklichkeit des sprachlichen Alltagsverkehrs dient
die Sprache gleichzeitig den verschiedensten Zwecken. Beim typi-
schen Plaudern gleitet das Interesse oft unversehens vom Gegen-
stand zum Inhalt ab. Ein ergötzliches Bild beschäftigt unsere
Phantasie und läßt sie in Ausmalungen sich ergehen, denen keine
praktische Bedeutung mehr zukommt. Andererseits kann jeder
einmal gegebene, mitgeteilte Inhalt zum Gegenstand, zum Thema
werden, insofern er nun im Zusammenhang unseres Erlebens eine
Stätte gefunden hat; wie ja auch z. B. das einzelne Gedicht für
uns, wenn wir es uns angeeignet haben, als „Thema“ darauf be-
züglicher Äußerungen fungieren kann. Überdies bedient sich die
Dichtung selbst überaus häufig der Fiktion des thematischen In-
teresses, der gegenständlichen Beziehung, wie dies schon in der
Verwendung des bestimmten Artikels sich ausdrückt. So kreuzen
und verschlingen sich die Fäden aufs Mannigfaltigste.
Da nun jede sprachliche Form, von der Interjektion bis zum
Vollsatz, sowohl in der frei gestaltenden Selbstmitteilung, wie in
der an einen gegebenen Beziehungspunkt gebundenen gegenständ-
lichen Aussage sich findet, so dürfen wir schließen:

III.
Der doppelte Sinn der sprachlichen Formen.
In allen Formen des sprachlichen Lebens wirken die aus der
Bestimmung der Sprache zum Zweck der Mitteilung sich ergeben-
den Tendenzen mit den aus der Selbstzweckhaftigkeit der Äußerung
geborenen Strömungen zusammen. Jede sprachliche Form dient
einerseits den praktischen Zwecken der Verständigung, andererseits
den ästhetischen der Gestaltung. Von diesem zweifachen Gesichts-
punkt aus haben wir also die gesamten grammatischen Probleme
zu betrachten. Was leistet, so wird unsere Fragestellung lauten,
eine bestimmte Ausdrucksform für die Verständigung — was leistet
sie für die Anschauung?
Ich will versuchen, diese doppelle Fragestellung an einem
Problem durchzuführen, das mir bei meinen Untersuchungen über
 
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