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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0007
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

7

Siedertracht1. Das Fest ist zu den Kindern herabgesunken. -
Die Schiffsbesatzung führt die Bezeichnung Schiffskinder ohne
Rücksicht aufs Alter. Ähnlich ist es in anderen Verhältnissen.
In einer Schlettstädter2 Rechtsquelle vom Jahre 1416 wird Kind
und Knabe nebeneinander gestellt: „Als in den winnachten ....
der reblute kinde und knaben eine kinig machtent, und . . dogegen der
andern ziinfte kinde und knaben von den andern hantwercken ouch
einen mören kunig machtent, und die . . einander, als sie umbzügend,
einander slugent. . ., daz do beide teil von beden kungreichen3 (vor dem
Rat Friede gelobten). Da ist offenbar unter „kind“ soviel zu ver-
stehen wie „Tochter“, ein Sprachgebrauch wie er heute noch in
der Schweiz vorkommt4. Umgekehrt bildet im Hennebergischen
„Kind“ den Gegensatz zu „Madie“5.
Im folgenden sollen aber vorzüglich solche Stellen verwertet
werden, wo es sich um Kinder im Spielalter handelt. Vereinzelt
kommt es vor, daß Erwachsene in einem Rechtsbrauche die Stelle
der Kinder vertreten6.
A. Beteiligung der Kinder am Rechtsleben.
In Zeitläuften, in denen das tägliche Volksleben und Rechts-
leben einander innig berührten, ergänzten und durchdrangen, ist
immer auch eine lebhafte, sowohl zufällige wie absichtliche, ge-
wollte Teilnahme der Kinder am öffentlichen Leben zu beobachten.
Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der die heranwachsende
Jugend vom frühesten Alter an in Haus und Feld, in Stall und
Weide erst spielend, staunend und lernend, einfach zugegen war
und wie sich dann ihre gelegentlichen Hilfeleistungen zu regel-
mäßigen Pflichten bis zur vollen Arbeitsfähigkeit und vollen Ver-
antwortung steigerten, - mit der gleichen Natürlichkeit wuchsen
sie auch in die Kenntnisse von Rechtsbräuchen, Rechtssätzen, in
die Mitwirkung bei der Rechtspflege hinein; so wurde denn auch
das ererbte Recht, das ja schließlich nur ein Bestandteil der Väter-
sitte war, ebenso treu festgehalten und überliefert wie anderer
1 Groos, Spiele der Menschen 453.
2 Schlettstädter Stadtrechte, hrsg. Geny S. 347.
3 Vgl. unten §§ 63, 103.
4 SchweizJd. 3, 340f.; Stutz ZRG. 33 (1899), 327.
5 Meyer DVk. 106.
6 Z. B. werden auch Erwachsene beim Grenzgang geprügelt. Vgl.
unten § 27.
 
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