Einleitung.
Seit Prantls gründlichen Untersuchungen über die Logik des
Mittelalters ist der Gegensatz der „älteren“ und „neueren“
philosophischen Schule (via antiqua bzw. modernd) als die weitaus
wichtigste Kontroverse innerhalb der deutschen Universitäts-
wissenschaft am Ausgang des Mittelalters erkannt und nach Inhalt,
Tragweite und philosophischer Bedeutsamkeit überaus verschieden-
artig bestimmt worden. Es steht hier nicht nur der Ausklang der
Scholastik überhaupt in Frage — da der Gegensatz über die
Grenzen Deutschlands hinausgreift —, sondern gleichzeitig der
Übergang zu den Denk- und Lehrformen des 16. Jahrhunderts,
wie sie nach Überwindung der humanistischen Reaktion (oder viel-
mehr ihrer Eingliederung in das Herkommen) durch Neuanknüp-
fung an die scholastische Vergangenheit sich gestalten. Ja man hat
neuerdings in der via antiqua den unmittelbaren Vorläufer des
Humanismus erkennen wollen, in ihrer Theologie nichts Geringeres
als eine innerscholastische Reformbewegung zur Selbstreinigung
des Katholizismus, die eine Quelle späterer humanistischer Frömmig-
keitsideale gewesen sein und letztlich in einer Linie stehen soll
mit all den gemäßigten Reformbestrebungen, die im Konzil von
Trient ihren kirchengeschichtlichen Abschluß gefunden haben1.
Und wenn auch diese zugespitzte These sich als irrig erweisen wird,
so ist doch kein Zweifel, daß zum mindesten der Ekel an den
sophistischen Haarspaltereien und an dem Gezänk der beiden
Schulen für die Ausbreitung humanistischer Reformbestrebungen
eine wesentliche Bedeutung besessen hat. Man kann die. Ge-
schichte des Humanismus nicht schreiben, ohne das Wesen
derjenigen Scholastik zu kennen, mit der die Neuerer im
Kampfe lagen; das Maß geschichtlicher Wertschätzung, das man
ihnen zuteil werden läßt, hängt zu einem erheblichen Teil von
dem Urteil über ihre wissenschaftlichen Leistungen im Vergleich
mit der vielgeschmähten Scholastik ab. Wer den Verlauf
der humanistischen Reformbewegung an Schule und Universität
1 Hermelink. Die religiösen Reformbestrebungen des deutschen
Humanismus. Tübingen 1907.
Seit Prantls gründlichen Untersuchungen über die Logik des
Mittelalters ist der Gegensatz der „älteren“ und „neueren“
philosophischen Schule (via antiqua bzw. modernd) als die weitaus
wichtigste Kontroverse innerhalb der deutschen Universitäts-
wissenschaft am Ausgang des Mittelalters erkannt und nach Inhalt,
Tragweite und philosophischer Bedeutsamkeit überaus verschieden-
artig bestimmt worden. Es steht hier nicht nur der Ausklang der
Scholastik überhaupt in Frage — da der Gegensatz über die
Grenzen Deutschlands hinausgreift —, sondern gleichzeitig der
Übergang zu den Denk- und Lehrformen des 16. Jahrhunderts,
wie sie nach Überwindung der humanistischen Reaktion (oder viel-
mehr ihrer Eingliederung in das Herkommen) durch Neuanknüp-
fung an die scholastische Vergangenheit sich gestalten. Ja man hat
neuerdings in der via antiqua den unmittelbaren Vorläufer des
Humanismus erkennen wollen, in ihrer Theologie nichts Geringeres
als eine innerscholastische Reformbewegung zur Selbstreinigung
des Katholizismus, die eine Quelle späterer humanistischer Frömmig-
keitsideale gewesen sein und letztlich in einer Linie stehen soll
mit all den gemäßigten Reformbestrebungen, die im Konzil von
Trient ihren kirchengeschichtlichen Abschluß gefunden haben1.
Und wenn auch diese zugespitzte These sich als irrig erweisen wird,
so ist doch kein Zweifel, daß zum mindesten der Ekel an den
sophistischen Haarspaltereien und an dem Gezänk der beiden
Schulen für die Ausbreitung humanistischer Reformbestrebungen
eine wesentliche Bedeutung besessen hat. Man kann die. Ge-
schichte des Humanismus nicht schreiben, ohne das Wesen
derjenigen Scholastik zu kennen, mit der die Neuerer im
Kampfe lagen; das Maß geschichtlicher Wertschätzung, das man
ihnen zuteil werden läßt, hängt zu einem erheblichen Teil von
dem Urteil über ihre wissenschaftlichen Leistungen im Vergleich
mit der vielgeschmähten Scholastik ab. Wer den Verlauf
der humanistischen Reformbewegung an Schule und Universität
1 Hermelink. Die religiösen Reformbestrebungen des deutschen
Humanismus. Tübingen 1907.