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Einleitung.

worden. Und doch kann eine tiefer dringende Forschung nicht
umhin, bis zu diesen verschütteten Quellen vorzustoßen.
Den Lehrinhalt der via antiqua kennen wir wenigstens in den
Umrissen: es handelt sich um eine Erneuerung des Thomas oder
Duns Skotus, der bestbeleuchteten Gestalten mittelalterlicher
Wissenschaft. Da für mich aus Gründen der Selbstbeschränkung
im wesentlichen nur der Vorstoß an einem Punkte in Frage kam,
zog ich es vor, zunächst einen „Modernen“ mir zum Ziel zu setzen;
liegt doch unsere Kenntnis dessen, was wir „spätscholastischen
Nominalismus“ nennen, besonders arg im Nebel. Im übrigen ergab
es sich von selbst, daß ich den Gründer der Universität Heidelberg,
Marsilius von Inghen, als Vertreter seiner Schule ins Auge faßte:
eine höchst bemerkenswerte Figur nicht nur als Musterbeispiel,
sondern seiner Eigenbedeutung nach. Freilich nicht gerade ein
Geist ersten oder zweiten Ranges; aber immerhin unzweifelhaft
der bedeutendste Vertreter seiner Fakultät in den ersten vier
Menschenaltern ihres Bestehens; vor allem aber der Mann, dessen
Leben tiefer als das der meisten Zeitgenossen verflochten ist in
die schicksalsvollste Wendung der Geschichte der deutschen Wissen-
schaft : in die ungeheure kirchliche Krisis, die das universale System
des Mittelalters zum ersten Male in seinen Fundamenten erschüt-
terte und damit auch die europäische Zentrale scholastischer
Wissenschaft, die Universität Paris, auseinandersprengte.
Das Leben dieses Mannes wird uns den zeitgeschichtlichen
Hintergrund malen, auf dem sich das System der nominalistischen
Lehre abhebt. Die Betrachtung seiner Werke wird uns das Ver-
ständnis der Kämpfe zwischen via antiqua und via moderna er-
schließen.
 
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