Studien zur Spätscholastik. I.
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Alles, was bisher schon die Nationen an der Hochschule gegen-
seitig in Harnisch gebracht hatte, erhielt für die Deutschen jetzt
vollends seine erbitternde Schärfe, seit das am 20. September 1378
neu erstandene avignonesische Papsttum infolge der Beschränkt-
heit seines Wirkungsbereiches zu einem Werkzeug der französischen
Politik herabsank. Auch für die gallische Kirche wurde das schis-
matische Papsttum, das mit seinen ungemessenen finanziellen An-
sprüchen auf ihr allein lastete, bald genug zu einer seufzend
ertragenen Last, und es sollte der Tag kommen, an dem niemand
eifriger die von deutschen Professoren zuerst verkündeten konzi-
liaren Reformideen verfocht, als die Hochschule Frankreichs. Aber
in den ersten Jahren des Schismas empfanden die französischen
Lehrer weit mehr die Annehmlichkeit, als treue Söhne ihres natio-
nalen Papstes mit Pfründen wohl versorgt zu werden, während die
Stellung der Deutschen von Anfang an beengt war. Als Inhaber
deutscher Benefizien und Pfründen konnten sie nicht anders, als
dem römischen Papste anhängen, soweit ihre Landesherren und
damit regelmäßig auch ihre heimischen Kirchenbehörden dieser
Obedienz folgten. Der französische König aber und ihm folgend
die Universität forderten und gelobten Treue gegen Clemens VII.,
der seinerseits mit allen Machtmitteln solche Gefolgschaft zu er-
zwingen suchte. Eine Zeitlang mochte man hoffen, mit Neutralitäts-
erklärungen auszukommen, solange nämlich, als der politische
Druck noch gelinde war und die Universität selbst noch in ihrer
Haltung schwankte. Ivonrad von Gelnhausen und Heinrich von
Langenstein, jetzt als Gerhard von Calkars Freund an Stelle des
Marsilius der Berater der deutschen Nation, versuchten die Univer-
sität für einen solchen Ausweg zu gewinnen; sie proklamierten
über die passive Neutralität hinaus das Konzil als Entscheidungs-
instanz. Im Grunde war aber diese Lösung des Problems für die
Deutschen schon erschwert durch die offizielle Entscheidung des
deutschen Kurfürstentages für Rom vom 27. Februar 1379, die
auf die Pariser Magister sichtlich großen Eindruck machte1.
Durch ihre berühmten Denk- und Flugschriften suchten deshalb
Langenstein und Konrad von Gelnhausen vergeblich Karl V. und die
deutschen Fürsten für ein Konzil umzustimmen, und es ist neuer-
dings sehr wahrscheinlich gemacht2, daß Gelnhausens beide Trak-
1 Deutsche Reichstagsakten I, 232 ff. Beschlüsse d. deutschen Nation
vom 30. April: Auct. I. 578 — 9.
2 Bliemetzrieder, Literar. Polemik, p. 88 ff.
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Alles, was bisher schon die Nationen an der Hochschule gegen-
seitig in Harnisch gebracht hatte, erhielt für die Deutschen jetzt
vollends seine erbitternde Schärfe, seit das am 20. September 1378
neu erstandene avignonesische Papsttum infolge der Beschränkt-
heit seines Wirkungsbereiches zu einem Werkzeug der französischen
Politik herabsank. Auch für die gallische Kirche wurde das schis-
matische Papsttum, das mit seinen ungemessenen finanziellen An-
sprüchen auf ihr allein lastete, bald genug zu einer seufzend
ertragenen Last, und es sollte der Tag kommen, an dem niemand
eifriger die von deutschen Professoren zuerst verkündeten konzi-
liaren Reformideen verfocht, als die Hochschule Frankreichs. Aber
in den ersten Jahren des Schismas empfanden die französischen
Lehrer weit mehr die Annehmlichkeit, als treue Söhne ihres natio-
nalen Papstes mit Pfründen wohl versorgt zu werden, während die
Stellung der Deutschen von Anfang an beengt war. Als Inhaber
deutscher Benefizien und Pfründen konnten sie nicht anders, als
dem römischen Papste anhängen, soweit ihre Landesherren und
damit regelmäßig auch ihre heimischen Kirchenbehörden dieser
Obedienz folgten. Der französische König aber und ihm folgend
die Universität forderten und gelobten Treue gegen Clemens VII.,
der seinerseits mit allen Machtmitteln solche Gefolgschaft zu er-
zwingen suchte. Eine Zeitlang mochte man hoffen, mit Neutralitäts-
erklärungen auszukommen, solange nämlich, als der politische
Druck noch gelinde war und die Universität selbst noch in ihrer
Haltung schwankte. Ivonrad von Gelnhausen und Heinrich von
Langenstein, jetzt als Gerhard von Calkars Freund an Stelle des
Marsilius der Berater der deutschen Nation, versuchten die Univer-
sität für einen solchen Ausweg zu gewinnen; sie proklamierten
über die passive Neutralität hinaus das Konzil als Entscheidungs-
instanz. Im Grunde war aber diese Lösung des Problems für die
Deutschen schon erschwert durch die offizielle Entscheidung des
deutschen Kurfürstentages für Rom vom 27. Februar 1379, die
auf die Pariser Magister sichtlich großen Eindruck machte1.
Durch ihre berühmten Denk- und Flugschriften suchten deshalb
Langenstein und Konrad von Gelnhausen vergeblich Karl V. und die
deutschen Fürsten für ein Konzil umzustimmen, und es ist neuer-
dings sehr wahrscheinlich gemacht2, daß Gelnhausens beide Trak-
1 Deutsche Reichstagsakten I, 232 ff. Beschlüsse d. deutschen Nation
vom 30. April: Auct. I. 578 — 9.
2 Bliemetzrieder, Literar. Polemik, p. 88 ff.