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Studien zur Spätscholastik. I.

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nach Marsilius zum Doktor der Theologie promoviert worden ist1.
So muß es auffallen, daß nicht vielmehr Konrad von Soltau, der
einzige bedeutende Kopf der Fakultät, ja der ganzen Universität
neben Marsilius von Inghen vor dem Erscheinen des Matthäus von
Krakau (1394), als sein Lehrer genannt wird. Freilich war das ein
anspruchsvoller Herr von weltmännischem Auftreten und starkem
Selbstbewußtsein, dessen Gegnerschaft im Streit um die Rektor-
wahl zu sichtbaren Zusammenstößen mit unserm Philosophen
führte und dessen Ehrgeiz auf ganz andere Dinge hinauswollte
als auf die bescheidene Stellung eines Heidelberger Professors —
möglich also, daß hier Fragen der persönlichen Konkurrenz mit
hineinspielten, die wir nicht übersehen. Übrigens wirft der Eifer,
mit dem Marsilius später für die Befreiung des in Gefangenschaft
geratenen Kollegen eintrat, sogar unter Aufwendung persönlicher
Mittel, ein günstiges Licht auf die Stärke des korporativen Gemein-
schafts-Bewußtseins trotz innerer Gegensätze2.
In den Akten erscheint Marsilius zuerst im April /Mai 1393
als theologischer Bakkalar; da er schon im nächsten Jahre als
baccalarius formatus bezeichnet wird5, muß er spätestens 1394 seine
Vorlesung über die beiden ersten Bücher der Sentenzen beendigt
haben; nach den ältesten Bestimmungen der Fakultät würde das
ein mindestens neunjähriges theologisches Studium voraussetzen4.
Jedenfalls haben wir mit diesen Daten einen Anhalt für die Ent-
stehungszeit seines großen Sentenzenwerkes, das unzweifelhaft
Heidelberger Vorlesungen seinen Ursprung verdankt'’. Frühestens
zwei Jahre nach Beendigung dieser Lektüre durfte sich statuten-
mäßig der Bakkalar um die Zulassung zur Lizenz bewerben, der
1 Toepke I, 3; ferner p. 675; U. B. I, p. 81, II, nr. 141. Der erste Heidel-
berger Theologe, der belgische Zisterziensermönch Reginald von Alna, war
wohl nur eine erste Aushilfe; 1390 erscheint er auf dem Kölner Rotulus. S.
die Notizen bei Thorbecke, Anm. 28 z. S. 14.
2 Gegensätze: a. f. a. t 18; U. B. I, nr. 31; Befreiung Soltaus: Toepke
I, 676.
3 U. B. I, p. 53; 59.
4 U. B. I, nr. 20 — 5 J. Scholar, 2 J. Cursor, 1 J. Vakanz, 1 J. Sen-
tenzen I — II.
5 S. 1. II qu. 16, art. 4, Bl. 280, a: ist von auditores mei die Rede;
Eingang des 3. Buches, Bl. 349: disputata; in Studio heydelbergensi edita —
vielleicht erst Zusatz des Druckers; 1. I., qu. 41 bricht unvollendet ab mit
Vermerk, daß der Tod die Beendigung verhindert habe (Bl. 175, sp. 2). Auch
andere Stellen lassen auf mündliche Erörterung in Heidelberg schließen,
z. B. 1. I, qu. I, art. 1, in fine (Bl. 4, b).
 
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