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Gerhard Ritter:
die Verleihung des Doktorhutes auf Wunsch sogleich folgen konnte.
Marsilius muß indessen schon zwischen 17. Juni 1395 und 23. Juni
1396 promoviert haben; es war die erste feierliche Doktorpromotion
der Theologen in Heidelberg, und mit sichtlichem Nachdruck ver-
merken die Akten dieses große Ereignis1. So gab der Begründer
der Universität persönlich den Anlaß zu einer Feierlichkeit, deren
Vollzug in den Augen der gelehrten Welt die Gleichberechtigung
des neuen Generalstudiums neben der alma mater Parisiensis erst
wirklich besiegelte.
Es war der Schlußakt seines Lebenswerkes in einem doppelten
Sinne. Denn wenige Monate nach Empfang der höchsten akade-
mischen Würde starb er, am 20. August 13962. Die Universität
muß seinen Verlust wie den eines Vaters empfunden haben. Alle
Todesvermerke in den Akten geben dieser Trauer Ausdruck; die
Seelenmesse, durch seinen Kollegen und Lehrer Johannes Holzsadel
vermutlich am 23. August in der Heiliggeistkirche gelesen, gab dem
theologischen Professor Nikolaus Prowin Anlaß zu einer Leichen-
rede voll stärkster Lobsprüche3 4. Ihr biographischer Wert ist schwer
zu beurteilen. Wir erfahren von einer letzten Krankheit, die er
geduldig ertragen habe1, und von großer persönlicher Frömmigkeit ;
unmittelbar lebensnahe klingt der Hinweis auf seinen eifrigen Besuch
der akademischen Gottesdienste, ita ut velut alter pastor capellam
universitatis rexerit divinis. Auch das Lob seiner Mildtätigkeit, mit
der er stets zu Hilfeleistung in medicina, in consolatione et cetera
bereit gewesen sei, mag um so mehr Glauben finden, als von Frei-
gebigkeit auffallenderweise nicht die Bede ist. Anderes wirkt stark
konventionell, wie die Ausmalung seines unerhört asketischen
Lebens: da soll er jeden Freitag bei Wasser und Brot zugebracht,
durch härene Untergewänder, durch reichliche Nachtwachen, durch
Fasten und geistliche Übungen das sündige Fleisch bis zur Schwä-
1 A. u. I 60 — 61, s. Toepke I, 3 nr. 6., 636, 678.
2 A. u. 61v, Matrikel I 43v, Kal. I, s. Toepke I, 62, 636, 678, U. B. II, 88.
Zeichnung der Grabplatte: A. u. I 6lV Grabschrift bei Adamus, p. 54.
3 U. B. II, 89. Druck in dem typographischen Prachtwerke Adams
p. 125 — 132 u. dem Wiegendruck von 1499: Ad illustrissimum Bavarie ducem
usw. (Hain 10781), Bl. 19b —22. Über N. Prowin ist sonst wenig bekannt;
er erscheint selten in den Akten. — Das Datum der Feier ist nicht sicher
(mittwoch); auch die Drucke haben es nicht. Doch berichten A. u. I 62b be-
reits am 1. IX. von dem dabei verbrauchten Wachs.
4 Vom 13. VII. dadiert noch eine eigenhändige Eintragung in die Ma-
trikel. Toepke I, 62.
Gerhard Ritter:
die Verleihung des Doktorhutes auf Wunsch sogleich folgen konnte.
Marsilius muß indessen schon zwischen 17. Juni 1395 und 23. Juni
1396 promoviert haben; es war die erste feierliche Doktorpromotion
der Theologen in Heidelberg, und mit sichtlichem Nachdruck ver-
merken die Akten dieses große Ereignis1. So gab der Begründer
der Universität persönlich den Anlaß zu einer Feierlichkeit, deren
Vollzug in den Augen der gelehrten Welt die Gleichberechtigung
des neuen Generalstudiums neben der alma mater Parisiensis erst
wirklich besiegelte.
Es war der Schlußakt seines Lebenswerkes in einem doppelten
Sinne. Denn wenige Monate nach Empfang der höchsten akade-
mischen Würde starb er, am 20. August 13962. Die Universität
muß seinen Verlust wie den eines Vaters empfunden haben. Alle
Todesvermerke in den Akten geben dieser Trauer Ausdruck; die
Seelenmesse, durch seinen Kollegen und Lehrer Johannes Holzsadel
vermutlich am 23. August in der Heiliggeistkirche gelesen, gab dem
theologischen Professor Nikolaus Prowin Anlaß zu einer Leichen-
rede voll stärkster Lobsprüche3 4. Ihr biographischer Wert ist schwer
zu beurteilen. Wir erfahren von einer letzten Krankheit, die er
geduldig ertragen habe1, und von großer persönlicher Frömmigkeit ;
unmittelbar lebensnahe klingt der Hinweis auf seinen eifrigen Besuch
der akademischen Gottesdienste, ita ut velut alter pastor capellam
universitatis rexerit divinis. Auch das Lob seiner Mildtätigkeit, mit
der er stets zu Hilfeleistung in medicina, in consolatione et cetera
bereit gewesen sei, mag um so mehr Glauben finden, als von Frei-
gebigkeit auffallenderweise nicht die Bede ist. Anderes wirkt stark
konventionell, wie die Ausmalung seines unerhört asketischen
Lebens: da soll er jeden Freitag bei Wasser und Brot zugebracht,
durch härene Untergewänder, durch reichliche Nachtwachen, durch
Fasten und geistliche Übungen das sündige Fleisch bis zur Schwä-
1 A. u. I 60 — 61, s. Toepke I, 3 nr. 6., 636, 678.
2 A. u. 61v, Matrikel I 43v, Kal. I, s. Toepke I, 62, 636, 678, U. B. II, 88.
Zeichnung der Grabplatte: A. u. I 6lV Grabschrift bei Adamus, p. 54.
3 U. B. II, 89. Druck in dem typographischen Prachtwerke Adams
p. 125 — 132 u. dem Wiegendruck von 1499: Ad illustrissimum Bavarie ducem
usw. (Hain 10781), Bl. 19b —22. Über N. Prowin ist sonst wenig bekannt;
er erscheint selten in den Akten. — Das Datum der Feier ist nicht sicher
(mittwoch); auch die Drucke haben es nicht. Doch berichten A. u. I 62b be-
reits am 1. IX. von dem dabei verbrauchten Wachs.
4 Vom 13. VII. dadiert noch eine eigenhändige Eintragung in die Ma-
trikel. Toepke I, 62.