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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0051
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Studien zur Spätscholastik. I.

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vertreten imstande sei (suppositio personalis confusa). Hinter diesen
halbgrammatischen Erwägungen, die einst schon Psellos = Petrus
Hispanus Schwierigkeiten gemacht hatten1, verbirgt sich das alte
Universalienproblem, und indem nun Marsilms mit Buridan die
suppositio simplex verwirft, vereinfacht er nicht nur das ältere
Schema ganz wesentlich, sondern leugnet auch bewußt und aus-
drücklich die selbständige Existenz von Allgemeinbegriffen extra
animam2. Unwesentlich ist dabei seine Polemik gegen Albert von
Sachsen und Okkam, der die suppositio simplex durch Anwendung
dieses Ausdrucks auf die Supposition eines ,,geschriebenen oder
gesprochenen“ Allgemeinbegriffs für einen (wenn auch nicht „eigent-
lich“ oder endgültig dadurch bezeichneten) allgemeinen conceptus
mentalis hatte retten wollen3. Denn die erkenntnistheoretische
Absicht Okkams erreicht er gleichfalls durch seine Definition der
suppositio pro significato non ultimato; sie stellt eine Art Verbin-
dung der suppositio simplex mit der schon bei Okkam ähnlich defi-
nierten suppositio materialis dar: in dieser soll der Terminus im
Urteile supponieren für ein gesprochenes oder geschriebenes Wort4,
in jener (pro significato non ultimato), offenbar viel allgemeiner, der
(gesprochene bezw. geschriebene bezw. gedachte) Terminus für sich
selbst (als gedachter bezw. geschriebener bezw. gesprochener Be-
griff) oder für einen ähnlichen oder gleichwertigen oder korre-
spondierenden Begriff5. Die suppositio simplex und suppositio mate-
1 Prantl II, 282 ff.
2 Druck nr. 2, Bl. 2. Teilweises Zitat bei Prantl IV, 100, N. 401.
3 Auch Okkam tat das, nicht nur Albert! Vgl. die Stelle bei Prantl III,
374, N. 877. Gedacht ist das logische Verhältnis so, daß z. B. das Wort
homo für den (nur vorgestellten, nicht extramental wirklichen) Allgemein-
begriff homo eintritt. Dieser Allgemeinbegriff ist nicht das „eigentliche“
significatum, weil das eigentliche significatum (der Mensch) extra animam
liegen sollte, das aber ist wiederum nicht möglich, da ein allgemeiner Mensch
abgesehen von den einzelnen Menschen nicht extra animam existiert.
4 Der erkenntnistheoretische Zweck dieser suppositio materialis ist die
Erklärung der wissenschaftlichen Begriffsbildungen auf Grund eines rein
mentalen Vorstellungsmaterials; z. B. wenn der Allgemeinbegriff genus auf
nomina wie homo, asinus usw. angewendet wird. Suppos. materialis und
simplex kennt Okkam nur für die secunda intentio; für die intentio prima
(Beziehung der Vorstellung auf das reale Ding) läßt er nur suppositio perso-
nalis gelten. Vgl. Prantl III, 342, 356 anm. 806.
5 Druck nr. 2, Bl. 2V: Significatum non Ultimatum termini vocatur ipsemet
terminus aut sibi similis aut equivalens aut correspondens; significatum Ulti-
matum termini dicitur res, quam talis terminus significat ex impositione, seu
cuius est naturalis similitudo, si est terminus mentalis.

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