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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0050
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50

Gerhard Ritter:

piliert mit aristotelischen und vereinzelten stoischen Einwirkungen1.
- jedenfalls war die Hauptmasse des so gewonnenen Lehrstoffes
seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nicht bloß Eigentum einer
bestimmten Schule, sondern beherrschte das logische Interesse ganz
allgemein. Selbst als hundert Jahre später die bewußte Reak-
tion gegen das Überwuchern dieser Spitzfindigkeiten auf stärkere
Betonung der Texte des Aristoteles, Porphyrius und der Traktate 1
bis 6 des Petrus hindrängte, blieb doch der Grundstock der pro-
prietates terminorum mit samt ihren Erweiterungen über Petrus.
Hispanus hinaus auch in zahlreichen Lehrbüchern der via antiqua
erhalten2. Es kommt also auf die Art der Behandlung dieser Fragen
an, um die philosophische Richtung des Autors näher zu bestimmen.
Der von mir benutzte Druck nr. 2 zeigt eine völlig freie Bear-
beitung seiner Gegenstände ohne Anlehnung an irgend einen Text,
auch ohne die sonst übliche Form der ,, Quaestionen“; man erkennt
sogleich, daß in diesen Neuerungen der selbständigen Erfindung
des Verfassers noch freiere Hand geblieben ist, als in den Kommen-
taren zum älteren Kanon. Im einzelnen hat Prantl wieder starke
Abhängigkeit von Buridan und Albert von Sachsen nachgewiesen;
doch zeigt die von Prantl getadelte Anordnung des Ganzen, wie
mir scheint, engeren Anschluß an das ursprüngliche Vorbild, an
Petrus Hispanus, die Einteilung der suppositiones eine Verbindung
von Elementen aus Petrus, Okkam und Buridan. Größere Selb-
ständigkeit entwickelt der Abschnitt he consequentiis, was auch
dessen auffallende Verbreitung erklären mag. Für uns am wich-
tigsten ist der Wegfall der suppositio simplex und dessen Begrün-
dung. Es handelt sich bei dieser Frage im Zusammenhang der
terministischen Erörterung um das Problem, ob der im Prädikat
eines Urteils stehende Allgemeinbegriff einerseits als terminus für
eine durch ihn bezeichnete Sache ohne Beziehung auf die in seinem
Umfang liegenden, ihm untergeordneten Einzeldinge ,,supponierenct
könne (suppositio simplex), andrerseits aber, in einer zweiten Art
der Supposition, die Summe der in ihm enthaltenen Einzeldinge zu
1 Vgl. Scheel I2 * * * *, p. 302, nr. 48 und die bei Überweg-Baumgartner
II10 135* zu § 32, III aufgeführte Literatur.
2 In Heidelberg waren insolubilia und obligatoria noch um 1501 Pflicht-
vorlesungen für beideWege! a.f.a. II 176a und 1117b. Näheres hierüber vgl.
in meiner Abhandlung Via antiqua u. via moderna (Teil II dieser Studien)!
Dieselbe Auffassung vertritt Scheel I2 301, N. 39 gegen Hermelink auf
Grund von Wittenberger Akten. Vgl. auch die Aufnahme der parva, logicalia
durch Skotisten und Thomisten. Prantl IV, 204, 211, 219, 224 — 5 u. ö.
 
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