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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0094
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94

Gerhard Ritter:

teln. Zunächst erfahren wir, daß die Substanzen (substantiae indivi-
sibiles) und die „substanziellen Formen“ diesen Änderungen nicht
unterliegen1; wenigstens sei das die verbreitetste und wahrschein-
lichere Ansicht, trotz der gegenteiligen Meinung des Averroes;
dieser leugnet zwar ebenfalls die Steigerungsfähigkeit der substan-
tiellen Formen im allgemeinen, bejaht sie aber für die substantiellen
Formen der Elemente, da diese streng genommen in der Mitte
liegen zwischen substantieller und akzidenteller Form2. Es ist
charakteristisch für die eklektische Unsicherheit unseres Autors
(die öfters auffällt), wenn er die averroistische Ansicht für bene
probabilLs erklärt und gleichsam zur Auswahl mit andern anbietet3.
Einleuchtender freilich findet er die „neuere“ Meinung, nach der
nicht die substantiellen, sondern die akzidentellen Formen intensiv
variabel sind, vor allem also zahlreiche Qualitäten4. Könnte man
hiernach vermuten, daß eben doch die forma qualitatis ihrem Wesen
nach als Träger der Veränderung gelten soll, so scheinen andere
Hinweise mehr auf die Ansicht Okkams zu deuten, nach der die
wechselnde Rezeptionsfähigkeit des konkreten subiectum der For-
men die entscheidende Rolle spielt5. Zu einer zweifellosen Fest-
stellung reicht das mir vorliegende Quellenmaterial nicht aus.
1 1. c. Bl. 183, d. Die auch hier versprochene nähere Ausführung im
3. Buch habe ich nicht gefunden. Ähnlich 1. II qu. 11, art. 3, von Prantl
IV, 95 irrig als art. 4 zitiert und ungenau mit der Ansicht Okkams (Prantl III,
361, not. 819) über den Träger der Intensitätsveränderung ohne weiteres
identifiziert, obwohl davon hier gar nicht die Rede ist.
2 de gen. et corr., 1. I, qu. 21, art. 1 : Forme elementales sunt quasi medie
inter substantiales et accidentales et partim convenientes cum accidentalibus.
3 1. c. Ende des art. 1. Ähnlich lib. senk, Bl. 183, d.
4 de gen. et corr., 1. I, qu. 21, art. 2. — lib. sent. II, qu. 1, art. 1, nota
7: Plurime res accidentales in sua essentia possunt intendi et remitti, patet. . .
quod qualitas suscipit magis et minus. — concl. 2: multarum qualitatum essen-
tialis perfectio potest intendi et remitti. — Ganz ähnlich übrigens z. B. der
Thomist Herveus Natalis, s. Prantl III, 273.
5 de gen. et corr., 1. c. art. 3, ad secundum: Negatur quod omnis acqui-
sitio ferme succesiva fit ratione intensionis et remissionis illius forme. Immo
acquisitio successiva fit frequenter propter successsioam dispositionem quan-
titativorum pertinentium materie, ut quando ignis generaretur ex ligms, materia
propinquior generanti citius disponitur et remotior tardius, ergo in propinquiore
citius generalur ignis usw. Das kann freilich auch als Beweis dafür angesehen
werden, daß normalerweise eben doch eine intensio -fbrmae vorkommt. —
abbrev. phys., 1. c Bl. 50 erklärt, daß zur Einheit des motus (also nach
aristotel. Sprachgebrauch auch der Intensitätssteigerung) die Einheit des
subiectum inhesionis motus d. i. im Gegensatz zum subiectum denominationis
 
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