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Gerhard Ritter:
doch selbst nur ab effectibus! Aber darum sind wir doch nicht auf
die bloße Kenntnis Gottes quod est beschränkt; vielmehr gestattet
der Schluß von den Wirkungen rückwärts recht wohl eine Bestim-
mung der res, que est quidditas dei. Ist doch Gottes Wesen von
seinem Sein gar nicht zu trennen1! So ist es leicht zu schließen,
daß die prima causa nicht accidens, sondern Substanz sein muß.
Weiterhin aber lassen sich auf diesem Wege überhaupt solche
allgemeinen Wesensbestimmungen aufstellen, die Gott und „andern
Dingen“ gemeinsam sind, und die aus allgemeinen metaphysischen
Gründen der prima causa zugeschrieben werden müssen2. Da es
sich nicht um Einzel-, sondern Allgemeinbegriffe handelt, die aus
erfahrbaren Dingen abstrahiert sind, steht nichts im Wege, sie
ebensowohl in inkomplexer wie in Urteilsform von Gott zu prä-
dizieren3. Marsilius zählt eine Reihe solcher „inkomplexer All-
gemeinbegriffe“ auf, die sich von Gottes Wesen aussagen lassen:
Substanz, Sein, Identität, Ursache, Unabhängigkeit, Einheit usw.4.
Er bestreitet auch die Behauptung aller mystischen und „negati-
ven“ Theologie, daß jede kategorische Aussage über Gottes Wesen-
heit, eine Beschränkung bedeute: weder die superlativischen posi-
tiven Aussagen (der Mächtigste, Erste, Weiseste usf.), noch die
negativen Bezeichnungen (der Unabhängige, Eine) oder die rela-
tivischen Prädikate (idem, pater et filius), auch nicht die Kausal-
bezeichnungen (posse agere, posse conservare, causa finalis) und nicht
die termini der Substanzkategorie bedeuten eine solche Be-
schränkung5.
So ist das Ergebnis eine weitgehende „rein natürliche“ Speku-
lation über Gott und das göttliche Wesen. Die Gewißheitsgrade
der einzelnen Aussagen sind mannigfaltig abgestuft und im ein-
1 Ibid. a. 3, co. 1: Homo potest quidditatem dei - . . cognoscere, palet . . . .
quod deum [=primam causam] potest cognoscere ... et ipse [est] sua quidditas,
ergo ... — Ascendendo ab effectu ad causam bene possumus cognoscere id, quod
in re est quidditas cause.
2 ibid. BL 17, a: Ad cognoscendum predicatum de aliquo predicabile ,,in
quid“ sufjicit, quod possit [cognosci] solum conceptus essentialis communis ei
et aliis, sicud a qualibet substancia sensibili potest solum conceptus generari
substantie. Dasselbe Motiv findet sicli schon bei Okkam.
3 L. XII, qu. 13, a. 1, no. 2.
4 ibid. co. 1: In lumine naturali facilis est nobis conceptus incomplexus
communis de deo.
5 ibid. no. 4: Non videtur verum, quod omnes termini predicatorum signi-
ficant limitative.
Gerhard Ritter:
doch selbst nur ab effectibus! Aber darum sind wir doch nicht auf
die bloße Kenntnis Gottes quod est beschränkt; vielmehr gestattet
der Schluß von den Wirkungen rückwärts recht wohl eine Bestim-
mung der res, que est quidditas dei. Ist doch Gottes Wesen von
seinem Sein gar nicht zu trennen1! So ist es leicht zu schließen,
daß die prima causa nicht accidens, sondern Substanz sein muß.
Weiterhin aber lassen sich auf diesem Wege überhaupt solche
allgemeinen Wesensbestimmungen aufstellen, die Gott und „andern
Dingen“ gemeinsam sind, und die aus allgemeinen metaphysischen
Gründen der prima causa zugeschrieben werden müssen2. Da es
sich nicht um Einzel-, sondern Allgemeinbegriffe handelt, die aus
erfahrbaren Dingen abstrahiert sind, steht nichts im Wege, sie
ebensowohl in inkomplexer wie in Urteilsform von Gott zu prä-
dizieren3. Marsilius zählt eine Reihe solcher „inkomplexer All-
gemeinbegriffe“ auf, die sich von Gottes Wesen aussagen lassen:
Substanz, Sein, Identität, Ursache, Unabhängigkeit, Einheit usw.4.
Er bestreitet auch die Behauptung aller mystischen und „negati-
ven“ Theologie, daß jede kategorische Aussage über Gottes Wesen-
heit, eine Beschränkung bedeute: weder die superlativischen posi-
tiven Aussagen (der Mächtigste, Erste, Weiseste usf.), noch die
negativen Bezeichnungen (der Unabhängige, Eine) oder die rela-
tivischen Prädikate (idem, pater et filius), auch nicht die Kausal-
bezeichnungen (posse agere, posse conservare, causa finalis) und nicht
die termini der Substanzkategorie bedeuten eine solche Be-
schränkung5.
So ist das Ergebnis eine weitgehende „rein natürliche“ Speku-
lation über Gott und das göttliche Wesen. Die Gewißheitsgrade
der einzelnen Aussagen sind mannigfaltig abgestuft und im ein-
1 Ibid. a. 3, co. 1: Homo potest quidditatem dei - . . cognoscere, palet . . . .
quod deum [=primam causam] potest cognoscere ... et ipse [est] sua quidditas,
ergo ... — Ascendendo ab effectu ad causam bene possumus cognoscere id, quod
in re est quidditas cause.
2 ibid. BL 17, a: Ad cognoscendum predicatum de aliquo predicabile ,,in
quid“ sufjicit, quod possit [cognosci] solum conceptus essentialis communis ei
et aliis, sicud a qualibet substancia sensibili potest solum conceptus generari
substantie. Dasselbe Motiv findet sicli schon bei Okkam.
3 L. XII, qu. 13, a. 1, no. 2.
4 ibid. co. 1: In lumine naturali facilis est nobis conceptus incomplexus
communis de deo.
5 ibid. no. 4: Non videtur verum, quod omnes termini predicatorum signi-
ficant limitative.