Studien zur Spätscholastik. I.
linige Fortbildung der Traditionen, die der Aristotelismus der Hoch-
scholastik geschaffen hatte. Von Kritik und Selbstauflösung ist
wenig zu spüren. Im einzelnen hat sich die Begründung geändert,
manches ist umgebogen — im wesentlichen ist die alte Fassade
iiher den neuen Fundamenten erhalten geblieben.
c) Theologie.
Als Marsilius von Inghen sein metaphysisches Handbuch schrieb
(um 1390), bestimmte er es in erster Linie für solche Artisten der
jungen Hochschule, die sich auf das theologische Studium vor-
bereiteten und denen ein kurzgefaßtes Lehrbuch noch fehlen mochte.
Er selbst gehörte zu ihnen; und so hat er auch den Ertrag seiner
theologischen Studien in jedem Stadium des Aufstieges zur Doktor-
würde in schriftlichen Ausarbeitungen niedergelegt.
Wir besitzen von ihm eine kommentierende Vorlesung über
das Matthäusevangelium (Hs. nr. 80), während der Danielkommen-
tar (Hs. nr. 81—82) verloren scheint ; weit wichtiger ist das große
gedruckte Sentenzenwerk (Druck nr. 15). Die Handschrift des
Matthäuskommentars ist 1623 mit dem großen Raube aus
Heidelberg nach Rom gewandert; ich habe den Anfang (RI. 27
bis 33) aus der vatikanischen Handschrift cocl. Pal. lat. 142 photo-
graphieren lassen; das Stück gibt eine deutliche Vorstellung von
der Anlage des Ganzen. Es handelt sich um eine eigenhändige
Niederschrift des Marsilius von Inghen, wie der Vergleich der
Schriftzüge mit entsprechenden Stellen des ersten Heidelberger
Matrikelbands zweifelsfrei erweist. Der Wechsel zwischen ein-
und zweispaltiger Schreibweise und andere Unregelmäßigkeiten
sprechen für die Annahme, daß uns nicht eine Abschrift, sondern
eine erste Niederschrift vorliegt; zahlreiche Korrekturen und Zu-
sätze am Rande, besonders mit Zitaten aus Kirchenvätern, zeigen
die nachträglich bessernde Hand des Autors. Wir besitzen also
hier vermutlich ein für die Bibelvorlesung bestimmtes Kollegheft
oder jedenfalls eine Arbeit, die im Zu ammenhang der Vorlesungen
entstanden ist. Denn die Art, wie hier die Erklärung Satz für Satz
bezw. Wort für WTort der Vorlage bruchstückweise nachgeht, ent-
spricht sehr genau dem, was wir über den Inhalt dieses Lehr-
betriebs aus andern Quellen wissen. Der Gang der Erörterung ist
zu rasch, als daß es sich um die große statarische Vorlesung eines
theologischen Hauptprofessors handeln könnte, die nach den
Heidelberger Statuten von 1469 z. B. für die 4 Evangelien nicht
linige Fortbildung der Traditionen, die der Aristotelismus der Hoch-
scholastik geschaffen hatte. Von Kritik und Selbstauflösung ist
wenig zu spüren. Im einzelnen hat sich die Begründung geändert,
manches ist umgebogen — im wesentlichen ist die alte Fassade
iiher den neuen Fundamenten erhalten geblieben.
c) Theologie.
Als Marsilius von Inghen sein metaphysisches Handbuch schrieb
(um 1390), bestimmte er es in erster Linie für solche Artisten der
jungen Hochschule, die sich auf das theologische Studium vor-
bereiteten und denen ein kurzgefaßtes Lehrbuch noch fehlen mochte.
Er selbst gehörte zu ihnen; und so hat er auch den Ertrag seiner
theologischen Studien in jedem Stadium des Aufstieges zur Doktor-
würde in schriftlichen Ausarbeitungen niedergelegt.
Wir besitzen von ihm eine kommentierende Vorlesung über
das Matthäusevangelium (Hs. nr. 80), während der Danielkommen-
tar (Hs. nr. 81—82) verloren scheint ; weit wichtiger ist das große
gedruckte Sentenzenwerk (Druck nr. 15). Die Handschrift des
Matthäuskommentars ist 1623 mit dem großen Raube aus
Heidelberg nach Rom gewandert; ich habe den Anfang (RI. 27
bis 33) aus der vatikanischen Handschrift cocl. Pal. lat. 142 photo-
graphieren lassen; das Stück gibt eine deutliche Vorstellung von
der Anlage des Ganzen. Es handelt sich um eine eigenhändige
Niederschrift des Marsilius von Inghen, wie der Vergleich der
Schriftzüge mit entsprechenden Stellen des ersten Heidelberger
Matrikelbands zweifelsfrei erweist. Der Wechsel zwischen ein-
und zweispaltiger Schreibweise und andere Unregelmäßigkeiten
sprechen für die Annahme, daß uns nicht eine Abschrift, sondern
eine erste Niederschrift vorliegt; zahlreiche Korrekturen und Zu-
sätze am Rande, besonders mit Zitaten aus Kirchenvätern, zeigen
die nachträglich bessernde Hand des Autors. Wir besitzen also
hier vermutlich ein für die Bibelvorlesung bestimmtes Kollegheft
oder jedenfalls eine Arbeit, die im Zu ammenhang der Vorlesungen
entstanden ist. Denn die Art, wie hier die Erklärung Satz für Satz
bezw. Wort für WTort der Vorlage bruchstückweise nachgeht, ent-
spricht sehr genau dem, was wir über den Inhalt dieses Lehr-
betriebs aus andern Quellen wissen. Der Gang der Erörterung ist
zu rasch, als daß es sich um die große statarische Vorlesung eines
theologischen Hauptprofessors handeln könnte, die nach den
Heidelberger Statuten von 1469 z. B. für die 4 Evangelien nicht