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O. Gradenwitz:
sung veranlaßt, den Erlaß auch den größeren preußischen Gesandt-
schaften im Reich zu notifizieren (Nr.4), offenbar um—man denke an
dieEmser Depesche mit König Wilhelms Anheimstellen an Bismarck
— ihn unwiderruflich zu machen. — Aber auch die Wiener Seite
- Ballplatz und Botschaft — ist nicht unbefangen. Liest man die
Antworten, zunächst die auf die Instruktion (Nr. 6u.7), so gewinnt
man den Eindruck einer Lektion, die der vornehme Herr dem
bürokratisch regierenden Chef gern erteilt und bei welcher der
ungarische Graf, „auf dem Felde“ nicht bloß „der wirtschaftlichen
Diplomatie dem Kanzler überlegen“1, weidlich sekundiert. Der
Botschafter geht soweit, zu berichten: dem Grafen und dem Kaiser
werde damit gewissermaßen eine gebundene Marschroute gegeben,
„und das ist für einen Souverän niemals angenehm“ (Nr. I1).
W orauf nun wieder Graf Caprivi der Form wegen sich genötigt
glaubt, Beeinflussungsabsicht in Abrede zu stellen2, dadurch aber
sich die Möglichkeit verlegt, hinterher persönlich trotzdem zu
beeinflussen. Auch deutet derBotschafter taktvoll denWeg immerhin
leise an, mindestens das Botschaftspersonal aus dem Spiele zu
lassen, während er durch seine Bitte um Urlaub für seine Person
die gleiche Lösung findet, wie die Bundesfürsten durch spontane
Abreise. Ist es doch erheiternd und beschämend zugleich, wenn
man lesen muß, Prinz Ratibor habe die Einladung bereits ange-
nommen,werde aber natürlich nunmehr refüsieren (Nr.6JJ), und hier-
auf dieAntwort kommt: „Prinz Ratibor kann derEinladung zur Hoch-
zeit Folge leisten“ (Nr. 8X), worauf wiederum quittiert wird. So ist in
diesem ganzen Spiel (Nr. 6—9) das Kommando in Berlin, die Grazie
in Wien, und der von Caprivi begonnene Streit ob ein Streit zwi-
schen Regierung und Bismarck besteht oder nicht (Nr. 8) wird von
Kälnoky erledigt indem er „lächelnd“ zugibt er hätte vielleicht
besser getan, von „Mißhelligkeiten“ zu reden3. Ebenso wird Caprivis
Abläugnung der kaiserlichen Ungnade für Bismarck, vom Prinzen
1 G. u. E. 3, S. 134.
2 Er fügt hinzu, daß man geglaubt habe diese Nachricht „der befreun-
deten Regierung. . schuldig zu sein“. Er hätte seine Stellung besser gehalten
wenn er sich auf diese letztere Erklärung beschränkt hätte (Nr. 83).
3 Wenn Caprivi sich (Nr 81) rühmt, daß man es vermieden habe, „auch
nur behufs Verteidigung zu unserer Gegenwehr zu schreiten“, so erinnert
dies an die 10 Jahre spätere Äußerung des Grafenregenten zur Lippe, er habe
bislang vermieden, von seinem Rechte als kommandierender General Gebrauch
zu machen. — Bismarcks Replik auf die bald erfolgende Gegenwehr war noch
zerschmetternder als die Kaiserliche Antwort an den Grafenregenten.
O. Gradenwitz:
sung veranlaßt, den Erlaß auch den größeren preußischen Gesandt-
schaften im Reich zu notifizieren (Nr.4), offenbar um—man denke an
dieEmser Depesche mit König Wilhelms Anheimstellen an Bismarck
— ihn unwiderruflich zu machen. — Aber auch die Wiener Seite
- Ballplatz und Botschaft — ist nicht unbefangen. Liest man die
Antworten, zunächst die auf die Instruktion (Nr. 6u.7), so gewinnt
man den Eindruck einer Lektion, die der vornehme Herr dem
bürokratisch regierenden Chef gern erteilt und bei welcher der
ungarische Graf, „auf dem Felde“ nicht bloß „der wirtschaftlichen
Diplomatie dem Kanzler überlegen“1, weidlich sekundiert. Der
Botschafter geht soweit, zu berichten: dem Grafen und dem Kaiser
werde damit gewissermaßen eine gebundene Marschroute gegeben,
„und das ist für einen Souverän niemals angenehm“ (Nr. I1).
W orauf nun wieder Graf Caprivi der Form wegen sich genötigt
glaubt, Beeinflussungsabsicht in Abrede zu stellen2, dadurch aber
sich die Möglichkeit verlegt, hinterher persönlich trotzdem zu
beeinflussen. Auch deutet derBotschafter taktvoll denWeg immerhin
leise an, mindestens das Botschaftspersonal aus dem Spiele zu
lassen, während er durch seine Bitte um Urlaub für seine Person
die gleiche Lösung findet, wie die Bundesfürsten durch spontane
Abreise. Ist es doch erheiternd und beschämend zugleich, wenn
man lesen muß, Prinz Ratibor habe die Einladung bereits ange-
nommen,werde aber natürlich nunmehr refüsieren (Nr.6JJ), und hier-
auf dieAntwort kommt: „Prinz Ratibor kann derEinladung zur Hoch-
zeit Folge leisten“ (Nr. 8X), worauf wiederum quittiert wird. So ist in
diesem ganzen Spiel (Nr. 6—9) das Kommando in Berlin, die Grazie
in Wien, und der von Caprivi begonnene Streit ob ein Streit zwi-
schen Regierung und Bismarck besteht oder nicht (Nr. 8) wird von
Kälnoky erledigt indem er „lächelnd“ zugibt er hätte vielleicht
besser getan, von „Mißhelligkeiten“ zu reden3. Ebenso wird Caprivis
Abläugnung der kaiserlichen Ungnade für Bismarck, vom Prinzen
1 G. u. E. 3, S. 134.
2 Er fügt hinzu, daß man geglaubt habe diese Nachricht „der befreun-
deten Regierung. . schuldig zu sein“. Er hätte seine Stellung besser gehalten
wenn er sich auf diese letztere Erklärung beschränkt hätte (Nr. 83).
3 Wenn Caprivi sich (Nr 81) rühmt, daß man es vermieden habe, „auch
nur behufs Verteidigung zu unserer Gegenwehr zu schreiten“, so erinnert
dies an die 10 Jahre spätere Äußerung des Grafenregenten zur Lippe, er habe
bislang vermieden, von seinem Rechte als kommandierender General Gebrauch
zu machen. — Bismarcks Replik auf die bald erfolgende Gegenwehr war noch
zerschmetternder als die Kaiserliche Antwort an den Grafenregenten.