Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892.
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Reuß in höflich-ironischer Form beleuchtet (Nr. 9). Es ist ja
nicht erfreulich, den obersten Beamten des Reiches — der sich
hier mehr als Juristensohn, denn als Juristen darstellt — im Banne
solcher Finasserien zu finden bei Behandlung einer Sache, auf die
bald die Welt aufhorchen sollte, aber man muß sich doch auch
wundern, daß Graf Kälnoky ein so großes Empressement zeigt, dem
Fürsten den Empfang durch seinen Kaiser zu sichern. Der unga-
risch-mährische Graf, der nach Bismarcks Abreise wieder ganz eins
ist mit Caprivi, (Nr. 28.30) würde schwerlich so kräftig wider-
standen, vielleicht auch der Botschafter nicht so energisch ab-
gemahnt haben, wenn nicht,-ja wenn nicht Bismarck, wie
Napoleon in der Nacht vor Jena, seine Kanonen schon auf den
beherrschenden Punkt gebracht, und er so die Schlacht gewonnen
hätte, noch ehe sie begann. Bismarck war ja durch die Prinzessin,
wie diese Dame durch den Obersthofmeister, bereits versichert, daß
Franz Joseph die Audienz „für natürlich und selbstverständlich“
ansehe. Dies wußten die beiden Diplomaten in Wien, der Bot-
schafter und der Minister, beide aber hatten Ursache es in Berlin
nicht zu Gehör zu bringen. Wohl aber werden sie sich darüber
privatim unterhalten haben. Weswegen aber hatte Kaiser Franz
Joseph „noch heute“ (Nr. 64) dem Grafen gesagt, er sehe keinen
Grund, Bismarck nicht zu empfangen, weswegen vorher in Pest
den Magyarischen Herrn, er werde sich freuen, ihn zu empfangen ?
(Nr. 285.29h) War das eine motu proprio Erwägung für den Kaiser ?
Hatte er nötig, Bismarck gewissermaßen zur Nachsuchung einer
Audienz zu invitieren ? War er nicht in der Lage, dessen Meldung
abzuwarten ? Die Antwort ist: Er sprach davon, weil Bismarck
hatte anfragen lassen. Bismarck hatte, indem er sondierte, und
ermutigende Antwort erhielt, den österreichischen Herrscher
moralisch gebunden, und dieser mußte es peinlich empfinden,
wenn ihm nun von der anderen Seite in kachierter Form nahe-
gelegt wurde, Bismarck nicht zu empfangen „wie er sonst gerne
getan hätte“ (Nr. 122).
3. Der Kaiserbrief
und Bismarcks offizielles Audienzgesuch.
Bei dem ersten Besuch, den Prinz Reuß nach Empfang der
Instruktion dem Grafen Kalnoky machte, sagte letzterer, viel-
leicht werde sein Kaiser sich mit Kaiser Wilhelm direkt ausein-
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Reuß in höflich-ironischer Form beleuchtet (Nr. 9). Es ist ja
nicht erfreulich, den obersten Beamten des Reiches — der sich
hier mehr als Juristensohn, denn als Juristen darstellt — im Banne
solcher Finasserien zu finden bei Behandlung einer Sache, auf die
bald die Welt aufhorchen sollte, aber man muß sich doch auch
wundern, daß Graf Kälnoky ein so großes Empressement zeigt, dem
Fürsten den Empfang durch seinen Kaiser zu sichern. Der unga-
risch-mährische Graf, der nach Bismarcks Abreise wieder ganz eins
ist mit Caprivi, (Nr. 28.30) würde schwerlich so kräftig wider-
standen, vielleicht auch der Botschafter nicht so energisch ab-
gemahnt haben, wenn nicht,-ja wenn nicht Bismarck, wie
Napoleon in der Nacht vor Jena, seine Kanonen schon auf den
beherrschenden Punkt gebracht, und er so die Schlacht gewonnen
hätte, noch ehe sie begann. Bismarck war ja durch die Prinzessin,
wie diese Dame durch den Obersthofmeister, bereits versichert, daß
Franz Joseph die Audienz „für natürlich und selbstverständlich“
ansehe. Dies wußten die beiden Diplomaten in Wien, der Bot-
schafter und der Minister, beide aber hatten Ursache es in Berlin
nicht zu Gehör zu bringen. Wohl aber werden sie sich darüber
privatim unterhalten haben. Weswegen aber hatte Kaiser Franz
Joseph „noch heute“ (Nr. 64) dem Grafen gesagt, er sehe keinen
Grund, Bismarck nicht zu empfangen, weswegen vorher in Pest
den Magyarischen Herrn, er werde sich freuen, ihn zu empfangen ?
(Nr. 285.29h) War das eine motu proprio Erwägung für den Kaiser ?
Hatte er nötig, Bismarck gewissermaßen zur Nachsuchung einer
Audienz zu invitieren ? War er nicht in der Lage, dessen Meldung
abzuwarten ? Die Antwort ist: Er sprach davon, weil Bismarck
hatte anfragen lassen. Bismarck hatte, indem er sondierte, und
ermutigende Antwort erhielt, den österreichischen Herrscher
moralisch gebunden, und dieser mußte es peinlich empfinden,
wenn ihm nun von der anderen Seite in kachierter Form nahe-
gelegt wurde, Bismarck nicht zu empfangen „wie er sonst gerne
getan hätte“ (Nr. 122).
3. Der Kaiserbrief
und Bismarcks offizielles Audienzgesuch.
Bei dem ersten Besuch, den Prinz Reuß nach Empfang der
Instruktion dem Grafen Kalnoky machte, sagte letzterer, viel-
leicht werde sein Kaiser sich mit Kaiser Wilhelm direkt ausein-