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Gradenwitz, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 6. Abhandlung): Akten über Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37796#0016
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O. Gradenwitz:

andersetzen (Nr. 65). Hier dürfte die Keimzelle des Kaiserbriefes1 aus
Potsdam liegen. In der Tat war über eine solche Frage der Weg
des Monarchen-Briefwechsels ebenso zielgerecbt wie er gefährlich
war. Wenn der furchtbare Gegner dies erfuhr, — würde dann sein
Vasallentum standhalten ? So sehen wir (Nr. 465), daß Frhr. v. Mar-
schall am 13. an Graf Eulenburg schreibt, der Kaiser
habe ihm ,,heute“ gesagt, er wolle an Franz Josef schreiben, nicht
um ihm von einer Audienz abzuraten, sondern um ihm Bismarcks
Verhalten gegen Österreich-Ungarn nach der Entlassung zu schil-
dern, und um ihm mitzuteilen, daß er eine Vermittlung im Ver-
hältnis zu einem Untertan auch nicht von einem befreundeten
Monarchen entgegennehmen könne. — Daß ein solcher Brief
geplant war, davon ist bisher nichts bekannt gewesen: so
wenig es erfreut hätte, zu sehen, wie von Berlin aus Bismarck-
sche Sünden gegen Österreich in Wien unterbreitet wurden, so
ließ sich doch gegen die Ablehnung einer Vermittlung nichts sagen.
Auch scheint es, daß die ministeriellen Desiderien durch diese Ab-
lehnung erfüllt waren, da das Auswärtige Amt und sein militäri-
scher Chef nur das fürchteten, daß die Audienz bei Franz Joseph
mit dem Frieden zwischen Kaiser und Fürst auch Einfluß des
letzteren bringen werde, vielleicht sollte der „auf geklebte“
Passus in der Instruktion auch dem Minister des Kaisers Franz
Joseph die Grenzen jeder Tätigkeit in dieser Richtung klarlegen2.
Gegen die Audienz selbst werden die Herren im Ministerium viel-
leicht, nicht gar so viel gehabt haben, zumal wenn ihnen der Inhalt
des Kaiserbriefes von 1890 fremd war. Kaiser Wilhelm aber dürfte
die Audienz vom lehnsherrlichen Standpunkt aus perhorresziert
haben: er wünschte einen Archibald Douglas-Fußfall, die Minister
fürchteten, daß der nach geschehenem Fußfall in Gnaden Aulzu-
nehmende wieder neben dem Monarchen reiten würde.3 Wie dem
auch sei, am 13. (dem „heute“ des Marschallschen Erlasses) hatte
der Kaiser ja einen ganz anderen Brief, den die Verweigerung
1 Veröffentlicht: Oesterreichische Rundschau, Januarheft 1919.
2 Vielleicht war trotz aller Ableugnungen von deren Wirkung die
Audienz bei Alexander III. von 1887 doch noch ein Schreckbild. — Was
Eckardstein Bd.I, S. 135 beibringt, läßt den Schluß zu. daß in die Herstel-
lung der Documente Persönlichkeiten verwickelt waren, die man schonen
wollte.
3 Wertvoll ist der ausgestrichene Passus in Marschalls Goncept:
„Endlich birgt jed (jed schon vorher ausgestrichen) ein Empfang die Ge-
fahr.“ (Nr. 46.)
 
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