Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892.
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wahrscheinlich erscheine. Einer baldigen Antwort darf ich ergebenst
entgegensehen“(Nr.35T). Die Aufregung, in der diese Anfrage erfolgt,
kann man aus dem Stil ersehen:,,Kaiser von Österreich-Ungarn“ist
gegen das Staatsrecht, „wahrscheinlich erscheine“ gegen den Ge-
schmack, und „darf ich ergebenst entgegensehen“ gegen die son-
stige Gewohnheit der Erlasse an den Prinzen Reuß1.
Jetzt ist es an den beiden vornehmen Herren, deren Einer
Prinz aus Souveränem Hause, und Gemahl der Nichte der Kaiserin
Augusta, der Andere der Sohn eines Herzogs, des Präsidenten
des Preußischen Herrenhauses, ist, dem ihnen Vorgesetzten General
der Infanterie2, in einer wenn auch „äußerlich durch die volle
Höflichkeit guter Erziehung verdeckten“3, so doch unverkennbaren
Schärfe klarzulegen, was die österreichische und die ungarische
Aristokratie und deren allergnädigster Herr bei dem Berliner modus
procedendi empfunden haben. — Beiden Herren ist nichts bekannt
{Nr. 36h 37z), beide vermuten dasselbe, nämlich: Kaiser Franz Jo-
seph hatte kein Hehl daraus gemacht, daß er Bismarck gern emp-
fangen werde; durch die nachherige Berliner Einmischung wurde
er in eine Zwangslage versetzt, die nach einer Aufklärung ge-
genüber der österreichischen und ungarischen Gesellschaft drängte;
von solcher Aufklärung mag der Fürst erfahren haben. Beide
Herren lassen durchblicken, welche Unannehmlichkeit auch ihnen,
und hier allerdings als dem Botschafter und dem Botschafts-
rat, erwuchsen. (Nr. 37h 402.) Prinz Reuß gemahnt an Bismarcks
Verhalten im März 1890, als er allenfalls entlassen werden,
aber nicht demissionieren wollte. Beide Herren haben (Nr. 38. 40)
1 Die Nachschrift Kiderlens zu der Kaiserlichen Antwort lautet: ,,S. M.
stellt anheim, auch der österreichischen Regierung nahe zu legen ihrerseits
zu den Enthüllungen der Hamburger Nachrichten Stellung zu nehmen.“ Doch
die Order an die beiden Prinzen gibt nur obigen Auftrag.
2 Man denke an den duc de St. Simon bei der Szene der Demütigung
des neuenAdels, um die Empfindungen der Prinzen ahnen zu können, und man
schließe auf die Gefühle der Diplomaten dem Nachfolger Bismarcks gegen-
über aus dessen stolzem Wort sogar an das Parlament: 15. 12. 84. „Ich begreife
ja, daß die Herren das Militär besser verstehen, als die Spitzen unserer
Armee, als der FeldmarschallMoltke und der Kriegsminister! Ich begreife, daß
Sie die Finanzsachen besser verstehen als die sämtlichen Finanzminister des
Bundes und ihnen darin überlegen sind! Aber bisher haben Sie das Ressort
des Auswärtigen in dieser Beziehung mit einer gewissen Rücksicht und Scho-
nung behandelt!“ — Die Diplomatie war des großen Mannes Garde gewe-
sen, und nun — — !
3 G. u. E. 2, 189.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1921. 6. Abh.
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wahrscheinlich erscheine. Einer baldigen Antwort darf ich ergebenst
entgegensehen“(Nr.35T). Die Aufregung, in der diese Anfrage erfolgt,
kann man aus dem Stil ersehen:,,Kaiser von Österreich-Ungarn“ist
gegen das Staatsrecht, „wahrscheinlich erscheine“ gegen den Ge-
schmack, und „darf ich ergebenst entgegensehen“ gegen die son-
stige Gewohnheit der Erlasse an den Prinzen Reuß1.
Jetzt ist es an den beiden vornehmen Herren, deren Einer
Prinz aus Souveränem Hause, und Gemahl der Nichte der Kaiserin
Augusta, der Andere der Sohn eines Herzogs, des Präsidenten
des Preußischen Herrenhauses, ist, dem ihnen Vorgesetzten General
der Infanterie2, in einer wenn auch „äußerlich durch die volle
Höflichkeit guter Erziehung verdeckten“3, so doch unverkennbaren
Schärfe klarzulegen, was die österreichische und die ungarische
Aristokratie und deren allergnädigster Herr bei dem Berliner modus
procedendi empfunden haben. — Beiden Herren ist nichts bekannt
{Nr. 36h 37z), beide vermuten dasselbe, nämlich: Kaiser Franz Jo-
seph hatte kein Hehl daraus gemacht, daß er Bismarck gern emp-
fangen werde; durch die nachherige Berliner Einmischung wurde
er in eine Zwangslage versetzt, die nach einer Aufklärung ge-
genüber der österreichischen und ungarischen Gesellschaft drängte;
von solcher Aufklärung mag der Fürst erfahren haben. Beide
Herren lassen durchblicken, welche Unannehmlichkeit auch ihnen,
und hier allerdings als dem Botschafter und dem Botschafts-
rat, erwuchsen. (Nr. 37h 402.) Prinz Reuß gemahnt an Bismarcks
Verhalten im März 1890, als er allenfalls entlassen werden,
aber nicht demissionieren wollte. Beide Herren haben (Nr. 38. 40)
1 Die Nachschrift Kiderlens zu der Kaiserlichen Antwort lautet: ,,S. M.
stellt anheim, auch der österreichischen Regierung nahe zu legen ihrerseits
zu den Enthüllungen der Hamburger Nachrichten Stellung zu nehmen.“ Doch
die Order an die beiden Prinzen gibt nur obigen Auftrag.
2 Man denke an den duc de St. Simon bei der Szene der Demütigung
des neuenAdels, um die Empfindungen der Prinzen ahnen zu können, und man
schließe auf die Gefühle der Diplomaten dem Nachfolger Bismarcks gegen-
über aus dessen stolzem Wort sogar an das Parlament: 15. 12. 84. „Ich begreife
ja, daß die Herren das Militär besser verstehen, als die Spitzen unserer
Armee, als der FeldmarschallMoltke und der Kriegsminister! Ich begreife, daß
Sie die Finanzsachen besser verstehen als die sämtlichen Finanzminister des
Bundes und ihnen darin überlegen sind! Aber bisher haben Sie das Ressort
des Auswärtigen in dieser Beziehung mit einer gewissen Rücksicht und Scho-
nung behandelt!“ — Die Diplomatie war des großen Mannes Garde gewe-
sen, und nun — — !
3 G. u. E. 2, 189.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1921. 6. Abh.
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