34*
O. Gradenwitz:
Anlaß zu einem Ergänzungsbericht: Prinz Ratibor, da Herr
y. Szögenyi, der ungarische Minister am Hoflager, ihm einen
Besuch macht, um Bedauern über die Hamburger Nachrichten
auszusprechen, da ihm dort Anspielungen auf den Kaiserbrief auf-
gefallen seien, — wie er denn solche Mitteilungen in der Wiener
Gesellschaft schon zur Zeit der Hochzeit gehört. ,,Die Worte des
Herrn v. Szögyenyi machten mir nicht den Eindruck, als ob ihm
begangene Indiskretionen bekannt seien, die er verdecken wollte“1.
Aber ,,Du sollst mich hören stärker beschwören“. Am 11. 7. steht
in den H.N.: „daß man in Wien keine Neigung gehabt habe
cl’epouser des rancunes etrangeres, und in einem eigenhändigen
Nachbericht meldet Prinz Reuß: „Die in dem Artikel enthaltene
Äußerung, qu’on n’avait pas envie d’epouser les rancunes etran-
geres ist, wie ich bestimmt weiß, vom Grafen Kälnoky gebraucht
worden, als er sich unmuthig über meine ihm mitgetheilten In-
struktionen vom 9. Juni geäußert hat.“ Die allgemeine Schluß-
folgerung ist ebenso klar, wie die Einzelheiten verschieden gedeutet
werden können. Kälnoky hat ( auch dem Prinzen gegenüber ?) sich
so geäußert, und, wenn Bismarck erzählt, daß er 1890 (G. u. E. 3,
59) beobachtet hat: „Der Kaiser ließ dieselben durch Boetticher
verlesen, der mit dem Texte vertraut zu sein schien“ und (3, 75): „Bei
Nennung des Namens Caprivi glaubte ich auf seinem („Kaiser Wil-
helms“) Gesichte den Ausdruck der befriedigten Überraschung zu
lesen,“ so kann man auch für 1892 getrost annehmen, daß er den
Kaiserbrief dem Grafen Kälnoky nötigenfalls vom Gesicht ablas
- auch abgesehen davon, daß durch Kälnoky ja Graf Herbert
schon früher über die Gründe der Ablehnung informiert worden
war (Nr. 18J) und also seinem Vater schon fördernde Mitteilungen
gemacht haben mußte.
So hat die Aktion zur Verhinderung der Audienz allerdings
ihren Zweck erreicht — (ob zu Bismarcks dauernder Unzufrieden-
heit ist eine andere Frage), auch den Erfolg erzielt, daß (wie Kaiser
Franz Joseph, so auch) Graf Kälnoky dem Grafen Caprivi Recht
1 Man vergleiche Bismarck an Kaiser Wilhelm (13.8.75): „ich bin
mit den Eigenthümlichkeiten der Königin“ von England „zu wenig bekannt,
um eine Meinung darüber zu haben, ob es möglich ist, daß die Wendung, es
sei „ein Leichtes nachzuweisen“ etwa nur den Zweck haben könnte, eine
Übereilung, die einmal geschehen ist, zu maskieren, anstatt sie offen einzu-
gestehen.“ Viel offener ebenda 2.4.66: „Es ist die Wendung in dem Briefe
Ihrer Majestät eben ein Vorwand, mit dem die englischen „guten Dienste
zurückgezogen werden“.
O. Gradenwitz:
Anlaß zu einem Ergänzungsbericht: Prinz Ratibor, da Herr
y. Szögenyi, der ungarische Minister am Hoflager, ihm einen
Besuch macht, um Bedauern über die Hamburger Nachrichten
auszusprechen, da ihm dort Anspielungen auf den Kaiserbrief auf-
gefallen seien, — wie er denn solche Mitteilungen in der Wiener
Gesellschaft schon zur Zeit der Hochzeit gehört. ,,Die Worte des
Herrn v. Szögyenyi machten mir nicht den Eindruck, als ob ihm
begangene Indiskretionen bekannt seien, die er verdecken wollte“1.
Aber ,,Du sollst mich hören stärker beschwören“. Am 11. 7. steht
in den H.N.: „daß man in Wien keine Neigung gehabt habe
cl’epouser des rancunes etrangeres, und in einem eigenhändigen
Nachbericht meldet Prinz Reuß: „Die in dem Artikel enthaltene
Äußerung, qu’on n’avait pas envie d’epouser les rancunes etran-
geres ist, wie ich bestimmt weiß, vom Grafen Kälnoky gebraucht
worden, als er sich unmuthig über meine ihm mitgetheilten In-
struktionen vom 9. Juni geäußert hat.“ Die allgemeine Schluß-
folgerung ist ebenso klar, wie die Einzelheiten verschieden gedeutet
werden können. Kälnoky hat ( auch dem Prinzen gegenüber ?) sich
so geäußert, und, wenn Bismarck erzählt, daß er 1890 (G. u. E. 3,
59) beobachtet hat: „Der Kaiser ließ dieselben durch Boetticher
verlesen, der mit dem Texte vertraut zu sein schien“ und (3, 75): „Bei
Nennung des Namens Caprivi glaubte ich auf seinem („Kaiser Wil-
helms“) Gesichte den Ausdruck der befriedigten Überraschung zu
lesen,“ so kann man auch für 1892 getrost annehmen, daß er den
Kaiserbrief dem Grafen Kälnoky nötigenfalls vom Gesicht ablas
- auch abgesehen davon, daß durch Kälnoky ja Graf Herbert
schon früher über die Gründe der Ablehnung informiert worden
war (Nr. 18J) und also seinem Vater schon fördernde Mitteilungen
gemacht haben mußte.
So hat die Aktion zur Verhinderung der Audienz allerdings
ihren Zweck erreicht — (ob zu Bismarcks dauernder Unzufrieden-
heit ist eine andere Frage), auch den Erfolg erzielt, daß (wie Kaiser
Franz Joseph, so auch) Graf Kälnoky dem Grafen Caprivi Recht
1 Man vergleiche Bismarck an Kaiser Wilhelm (13.8.75): „ich bin
mit den Eigenthümlichkeiten der Königin“ von England „zu wenig bekannt,
um eine Meinung darüber zu haben, ob es möglich ist, daß die Wendung, es
sei „ein Leichtes nachzuweisen“ etwa nur den Zweck haben könnte, eine
Übereilung, die einmal geschehen ist, zu maskieren, anstatt sie offen einzu-
gestehen.“ Viel offener ebenda 2.4.66: „Es ist die Wendung in dem Briefe
Ihrer Majestät eben ein Vorwand, mit dem die englischen „guten Dienste
zurückgezogen werden“.