Metadaten

Gradenwitz, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 6. Abhandlung): Akten über Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892 — Heidelberg, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37796#0046
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46*

O. Gradenwitz:

zu konferieren, auch nach Berlin Nachricht gelangen zu lassen,
während Bayern, der erste Bundesstaat nach Preußen, darüber
nichts verlauten läßt.
Aber es existiert noch ein Bericht des Preußischen Gesandten
über eine spätere Aussprache, mit der König Albert ihn nach dem
Bismarcktage beehrte, ein Bericht, der deutlich zeigt, daß dieser
Herr, dessen gnadenreiche Verehrung für den Fürsten aus Bismarcks
Briefwechsel hervorgeht, doch auch starke Bedenken dem Fürsten
Bismarck gegenüber hatte. Auch der König erklärt, wie Gesandte
und Minister, und der preußische Geschäftsträger in München: er
messe den Volkskundgebungen keinen gegen die jetzige Regierung
gerichteten demonstrativen Charakter bei, sondern fasse sie ledig-
lich als eine der Erinnerung an die Große Zeit des deutsch-franzö-
sischen Krieges und die dadurch erzielten nationalen Ergebnisse
geltende Volksäußerung auf, die dem hervorragenden Mitarbeiter
an letzterem dargebracht wurde.
Stellt dies die Empfindung des Königs für die Zeit des Dres-
dener Aufenthaltes fest, so ist dagegen dessen Urteil über die
Interview ein scharfes (Nr. 633):
,,In Seinem langjährigen Verkehr mit dem Fürsten, fügte der
König hinzu, habe er stets einen Grundzug seines Charakters zu
betrachten Gelegenheit gehabt, den Er als gehässigen Groll oder
unversöhnliche Rachsucht bezeichnen möchte und manche Akte
seiner Regierungstätigkeit trügen offenbar dieses Gepräge1. In
dieser Beziehung erinnere sich der König, daß, als Er den Fürsten
einmal gefragt habe, weshalb er einen gewissen Gutsankauf vor-
nähme, der Fürst geantwortet hätte: ,,Ich tue es, um meine Söhne
zu ärgern; Sie haben keine Lust zur Landwirtschaft und nun wer-
den sie sich damit beschäftigen müssen.
Diesem Charakterzug, der bei einem sonst so verdienstvollen
Staatsmann tief zu beklagen sei, entsprächen auch seine in der
„Neuen Freien Presse“ enthaltenen Äußerungen, die eher sein
eigenes Werk zerschlagen möchten, als dessen Führung anderen
Händen überlassen!“2
1 Vgl. S. 18*: Dies entspricht der Fortsetzung des ungnädigen Hand-
schreibens an den Frhn. vom Stein: „der auf sein Genie und seine Talente
pochend, weit entfernt das Beste des Staates vor Augen zu halten, nur
durch Capricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und
Erbitterung handelt“.
2 Norddeutsche Allgemeine Ztg., 28. Juni 92. A.A.: Anfang des vor-
letzten Absatzes: „weil er nicht der Führer seines Werkes geblieben, alles
thut, um die Führung zu vereiteln und das Werk der Zerstörung auszusetzen.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften