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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0071
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Studien zur Spätscholastik. II.

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wegung der Geister sich ebensogut mit den Tendenzen der via
moderna wie mit denen ihrer Gegner verbinden konnte. Im übrigen
entspricht der Inhalt dieser Sätze durchaus unseren Erwartungen:
die nominalistische Theorie ist darin ebensowenig miß zu verstehen wie
der grundsät zliche Widerspruch gegen die neuthomistischeReaktions-
bewegung. Eine Überraschung dagegen bringt die Aufzählung älterer
Autoritäten der via moderna: neben Okkam, Marsilius, Buridan und
(ungenannten) Vätern der großen Reformkonzilien erscheinen hier
auch „Johannes Skotus“ und Heinrich von Gent1. Zwar habe erst
Wilhelm Okkam „den Rost des Alten gänzlich abgetan“, aber schon
vor seiner Erwähnung werden die beiden älteren Antithomisten
ganz unbefangen zur modernen Partei gerechnet.
Das ist in der Tat sehr auffallend. Haben wir es etwa mit
einer bewußten Entstellung zu tun, mit dem Mißverständnis eines
skotistischen Theologen, der sein theologisches Vorbild auch den
Artisten aufreden möchte? Durchaus nicht! Magister Stephans
Auffassung wird durch andere Heidelberger Nachrichten mehrfach
bestätigt. Die bursa nova zu Heidelberg, ein Sitz der „modernen“
Schule, scheint sich — nach einem Briefe Wimpfelings zu schlie-
ßen — mit den skotistischen jormalitates ausgiebig beschäftigt zu
haben2. Ein logisches Schulbuch der gleichfalls „modernen“ Schwa-
benburse, 1513 gedruckt, zählt schon im Titel den Skotus zur via
moderna3. Die Akten der artistischen Fakultät bezeichnen 1517 mehr-
mals diese Partei — um die ältere, dem humanistischen Sprachgefühl
anstößige Bezeichnung via zu vermeiden — als secta Scotica oder
haeresis Scotica4, und Jakob Wimpheling nennt in seiner Ausgabe
1 Beachte auch den Hinweis auf die „modernen“ Universitäten Paris,
Erfurt, Leipzig (i. J. 1469!).
2 Wimpfeling an Joh. Hoffer, regens der bursa nova, der sich über W.s
Angriffe auf die Traktierung der jormalitates beschwert hatte, vermutlich
13. 8. 1499, mitget. von Knod, Z.G.O., N. F. I, 330. Die nova bursa war
„modern“: a. f. a. II 107b. Allerdings ist der Ausdruck nova bursa mehrdeutig!
3 Textus parvorum logicalium per mag. Leonardum Dieteri de Erpach,
collegii Suevorum alias modernorum . . . regentem . . . compilatus ad mentem
Marsilii, Scoti ceterorumque probatissimorum de via moderna doctorum. Heidel-
bergae (15)13. UB II, 655 nach Büttinghausen. Der Druck ist auf deut-
schen Bibi, nicht mehr aufzufinden. —Die Schwabenburse gehörte auch nach
a. f. a. II, 109b (1483) zur via moderna. Die gegenteilige Nachricht bei ITautz
I 205 und danach Toepke I, p. XII ist irrig.
4 a. f. a. III, 78b, 79a: 1517, juni 27, 28. Ibid. Juli 20 wird ein mag. Steph.
Rodacker e scotica haeresi genannt, der nach Toepke III 433 als Angehöriger
der via moderna nachzuweisen ist.
 
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