Studien zur Spätscholastik. II.
109
stische Kommentare, die sich größter Zurückhaltung gegenüber
ihren Vorlagen befleißigen. Einen solchen Typ stellen z. B. die
Schriften des Kölner Thomisten Lambertus de Monte zur Physik
und Psychologie des Aristoteles dar1, die nicht mehr bieten als
einen Abdruck des Textes mit ganz knappen Erläuterungen: oft
nur Inhaltswiedergaben längerer aristotelischer Stellen in wenigen
Sätzen; jede Quästion, damit aber auch jede eigentlich wissen-
schaftliche Erörterung der angerührten Fragen ist vermieden. Es
gibt von diesem Typus — wir können ihn den „quästionenfreien“
nennen — verschiedene Schattierungen von geringerer und grö-
ßerer Ausführlichkeit. Vielleicht am knappsten, aber auch am dürf-
tigsten behandelt seinen Stoff ein skotistischer Abriß der gesamten
scientia realis von Nik. Dorbellus, dessen Anlage sogleich erken-
nen läßt, daß er für Zwecke des akademischen Unterrichts bestimmt
ist2. Während die naturphilosophischen Schriften mit erstaunlicher
Eilfertigkeit und in strenger Sichtung des Notwendigsten abge-
macht werden (z. B. das 2. Buch von „de generatione et corruptioneu
auf 2 Druckseiten!), sind Ethik und Metaphysik weit ausführlicher
behandelt — genau entsprechend der Zeitdauer, die man im Lek-
tionsplan der Universitäten für diese Stoffe anzusetzen pflegte.
Es handelt sich durchweg um eine knappe Umschreibung und Er-
läuterung der wichtigsten aristotelischen Gedankengänge in völlig
unschematischer Form. Ähnlich sind die (bereits zitierten) Erläu-
terungen des Skotisten Petrus Tartaretus zu den ersten sechs
Traktaten des Petrus Hispanus gehalten, während er sich über die
parva logicalia mit großer Ausführlichkeit, z. T. ohne Anschluß
an den Text der Vorlage, mit eigenen weitschweifigen Zusätzen
verbreitet3. Ausführlicher ist sein zweiter Kommentar über das-
selbe Werk (ad mentem Stephani Bruliferi)4 gestaltet; aber auch
hier wird, die Erklärung unschematisch, in einfacher Aufzählung
der Argumente gegeben (pro declaratione sciendum est primo . . . .
secundo usw., contra arguitur, ad 1, ad 2, usf.). Das ist im wesent-
lichen dieselbe Form, die wir bei dem Thomisten Johannes
Versor wiederfinden5. Fast überall zu beobachten und sachlich
1 Copulata super tres libros de anima . . . super 8 libros physicorum,s.\. et a.
(vermutlich Köln, H. Quentel. — U. B. Hclbg.). 2 Cursus librorum philo-
sophiae sec. viam . . . Scoti. Basel 1494. (U. B. Hclbg'.) Am Anfang steht
ein kurzer Abriß der wichtigsten mathematischen Elementarbegriffe. 3 s. 1.
1506 (vgl. o. p. 92). 4 Freiburg 1494 (vgl. o. p. 92). 5 Dicta Versoris super
7 tractalus P. II. cum textu. s. 1. et a. (U. B. Hdbg.) (vgl. o. p. 93). Ähnlich auch
der Kommentar zur summula P. Ii. von Nik. Dorbellus, Basel 1494, der
sich selbst (f. 2) als Elementarbuch für Jugendliche bezeichnet.
109
stische Kommentare, die sich größter Zurückhaltung gegenüber
ihren Vorlagen befleißigen. Einen solchen Typ stellen z. B. die
Schriften des Kölner Thomisten Lambertus de Monte zur Physik
und Psychologie des Aristoteles dar1, die nicht mehr bieten als
einen Abdruck des Textes mit ganz knappen Erläuterungen: oft
nur Inhaltswiedergaben längerer aristotelischer Stellen in wenigen
Sätzen; jede Quästion, damit aber auch jede eigentlich wissen-
schaftliche Erörterung der angerührten Fragen ist vermieden. Es
gibt von diesem Typus — wir können ihn den „quästionenfreien“
nennen — verschiedene Schattierungen von geringerer und grö-
ßerer Ausführlichkeit. Vielleicht am knappsten, aber auch am dürf-
tigsten behandelt seinen Stoff ein skotistischer Abriß der gesamten
scientia realis von Nik. Dorbellus, dessen Anlage sogleich erken-
nen läßt, daß er für Zwecke des akademischen Unterrichts bestimmt
ist2. Während die naturphilosophischen Schriften mit erstaunlicher
Eilfertigkeit und in strenger Sichtung des Notwendigsten abge-
macht werden (z. B. das 2. Buch von „de generatione et corruptioneu
auf 2 Druckseiten!), sind Ethik und Metaphysik weit ausführlicher
behandelt — genau entsprechend der Zeitdauer, die man im Lek-
tionsplan der Universitäten für diese Stoffe anzusetzen pflegte.
Es handelt sich durchweg um eine knappe Umschreibung und Er-
läuterung der wichtigsten aristotelischen Gedankengänge in völlig
unschematischer Form. Ähnlich sind die (bereits zitierten) Erläu-
terungen des Skotisten Petrus Tartaretus zu den ersten sechs
Traktaten des Petrus Hispanus gehalten, während er sich über die
parva logicalia mit großer Ausführlichkeit, z. T. ohne Anschluß
an den Text der Vorlage, mit eigenen weitschweifigen Zusätzen
verbreitet3. Ausführlicher ist sein zweiter Kommentar über das-
selbe Werk (ad mentem Stephani Bruliferi)4 gestaltet; aber auch
hier wird, die Erklärung unschematisch, in einfacher Aufzählung
der Argumente gegeben (pro declaratione sciendum est primo . . . .
secundo usw., contra arguitur, ad 1, ad 2, usf.). Das ist im wesent-
lichen dieselbe Form, die wir bei dem Thomisten Johannes
Versor wiederfinden5. Fast überall zu beobachten und sachlich
1 Copulata super tres libros de anima . . . super 8 libros physicorum,s.\. et a.
(vermutlich Köln, H. Quentel. — U. B. Hclbg.). 2 Cursus librorum philo-
sophiae sec. viam . . . Scoti. Basel 1494. (U. B. Hclbg'.) Am Anfang steht
ein kurzer Abriß der wichtigsten mathematischen Elementarbegriffe. 3 s. 1.
1506 (vgl. o. p. 92). 4 Freiburg 1494 (vgl. o. p. 92). 5 Dicta Versoris super
7 tractalus P. II. cum textu. s. 1. et a. (U. B. Hdbg.) (vgl. o. p. 93). Ähnlich auch
der Kommentar zur summula P. Ii. von Nik. Dorbellus, Basel 1494, der
sich selbst (f. 2) als Elementarbuch für Jugendliche bezeichnet.