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Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0003
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1. Das Problem.

. .. Und noch immer kein Hindernis! Hagebucher,
der so häufig in seinem Leben auf die Nase gefallen
war, stolperte nicht auf der Schwelle des Hauses und
vernahm daher auch keine Stimme, welche sich das
Recht angemaßt hätte zu sagen: «Ein Römer würde
umkehren!»
Wilhelm Raabe, Abu Telfan oder die Heimkehr
vom Mondgebirge, 29. Kapitel.
Es gibt Wörter, die wir erst dann völlig verstehen, wenn wir
uns nicht nur den von ihnen bezeichneten Gegenstand oder Begriff
vergegenwärtigen können, sondern auch ihren Stimmungsgehalt,
d. h. die Gefühle und Nebenvorstellungen, die die Sprechenden mit
ihnen verbinden oder verbunden haben. Ein solches ist das la-
teinische Wort Urnen, das im allgemeinen nichts wreiter bedeutet
als die Türschwelle und doch bei den Zeitgenossen der punischen
Kriege in einen Vorstellungskreis hineinreichte, an dem wir keinen
Anteil haben. Diese Erkenntnis steht im Zusammenhang mit
der Deutung des zu Urnen gehörigen Wortes sublimen.
Was sublimen im alten Latein bedeutet, wie es gebildet
worden ist und wie es sich zu sublimis entwickelt hat, das scheint
im Dunkeln zu liegen. Die Römer selbst, wie ihre griechischen
Lehrer zu schnell bereit, die Frage nach dem ursprünglichen, dem
«wahren» Sinn der Wörter zu stellen und zu beantworten, und
zu wenig bemüht, die sicheren Daten, die ihnen die älteren Denk-
mäler ihrer Sprache gegeben hätten, zu verwerten, haben sich
auch hier mit Raten begnügt; das gilt sowohl von Senecas1
Ableitung aus imus, wie von der 'a limine superiore quia supra
nos estf, die wir jetzt bei Paulus, dem Epitomator des Festus
(p. 306 M.), lesen.

1 Nat. quaest. 2, 1, 1 Omnis de universo quaestio in coelestia, sublimia et
terrena dividilur. Prima pars naturam siderum scrutatur . . . secunda pars tractat
inter caelum terramque versantia; baec sunt nubila imbres nives . . . quae-
cumque aer facit patiturve, haec sublimia dicimus quia editiora sunt imis.
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