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Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0026
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26

Karl Meister:

Straucheln als böses Omen gefürchtet wird, muß der durch die
Tür Tretende auch aus religiöser Besorgnis sich in acht nehmen,
daß er an der Schwelle nicht stolpere. Denn sonst wird
aus dem Gang, der Reise nichts Gutes erblühen·: Tibull, der
frömmste unter den augusteischen Dichtern, hat es erfahren (1,3,19),
auch Ovid weiß es (Am. 1, 12, 3. Her. 13, 88 u. a.), am schlimmsten
ist es dem Tiberius Gracchus ergangen, der dies Vorzeichen miß-
achtet hat (Val. Max. 1, 4, 2; Plut. Tib. Gracchus 17, 3 u. a.). Dem
Urnen superum inferumque gilt der Scheidegruß des Ausziehenden
(Plaut. Merc. 830)1; ein solcher ist wohl auch in dem Atellanen-
fragment des Novius (CRF 49) enthalten:
limen superum quod mi misero saepe confregit caput
inferum autem digitos omnis ubi ego defregi meos;
der Maccus exul, der vermutlich diese Verse selbst spricht, wird in
der Pleimat wenig Glück gehabt haben. Besonders abergläubische
Leute wie Trimalchio beauftragen einen Sklaven an der Tür, den
Gästen, damit sie kein Unheil ins Haus bringen, ein schallendes
'dextro pede’ zuzurufen (Petron. 30). Der Architekt macht die
Zahl der Stufen des Tempelunterbaus ungerade, damit, wie Vitruv
sagt (3, 4, 4), nicht nur die unterste Stufe, sondern auch der
Tempel oben mit dem rechten Fuß betreten werde. Auch jenem
im Zusammenhang mit super limen besprochenen Hochzeitsritus,
nach dem die Braut die Schwelle überschreiten muß, ohne sie
zu berühren oder über sie gehoben wird, liegt vermutlich die Be-
fürchtung zugrunde, daß sie bei dem wichtigsten Schritte ihres
Lebens anstoßen und damit der Zukunft der Ehe ein böses Vor-
zeichen geben könnte. Es kommt ja alles darauf an, daß die
Neuvermählte 'omine cum bono’, wie es in dem Plocbzeitsliede
des Catull heißt, die Schwelle überschreite (so auch Becker-Göll,
Gallus II, 26). Wenn Vergil seinen Aeneas erzählen läßt, das unheil-
bringende hölzerne Pferd sei viermal an der Schwelle des Stadttores
1 Daß dies ein römischer Zug ist, dafür spricht einerseits die Übereinstimmung
mit der Atellane, andrerseits die Tatsache, daß Aristophanes und Menander die
Schwelle so gut wie nie erwähnen. Überhaupt scheint das religiöse Leben, das
uns in den Stücken des Plautus entgegentritt, vorwiegend italisch zu sein, z. B.
das Flötenspiel beim Opfer (Ep. 315), das Gebet verhüllten Hauptes (Amph. 1094),
die Auspizien und Prodigien (Ep. 184. Ps. 762; Ba. 1141 u. a.), der Hochzeits-
ritus der Gasina, auch die Geburtstagsfeier im Pseudolus (anders Wilh. Schmidt,
Rel. Vers. VII, Gießen 1909). Ed. Frankels ergebnisreiches Buch Tlautinisches
im Plautus’ (Berlin 1922) könnte hier um ein Kapitel erweitert werden.
 
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