§ 1.
Sprachgrenzen folgen den Rechtsgrenzen.
Die bisherigen sprachgeographischen Arbeiten — wie sie in
den letzten Jahrzehnten insbesondere unter Zuhilfenahme des
deutschen Sprachatlas zahlreich durchgeführt wurden — haben
immer wieder den Satz bestätigt, daß die Dialektlinien den poli-
tischen und kirchlichen Grenzen aller Art folgen1. Man erkennt in
den Sprachgrenzen einmal die Reichs- und Landesgrenzen, teils
Gerichts-, Grafschafts-, Kreis-, Herrschaftsgrenzen jeglichen Grades,
ein andermal wieder die Kirchspiel-, Dekanats-, Diözesangrenzen.
In kurzer Formel kann man sagen: Rechtsgrenzen bedingen den
Verlauf der Sprachgrenzen. Darin spiegelt sich die ausschlag-
gebende Redeutung des Rechtsverkehrs für den Sprachverkehr.
Die Sprache lebt und entwickelt sich im Gebrauch, in der fort-
währenden Übung, im steten Ausgleich der einzelnen miteinander
sprechenden Menschen. Mundartbildend ist vor allem der Verkehr
des täglichen Lebens. Und dieser ist größtenteils Rechtsverkehr.
Der prozessuale Rechtsverkehr, die freiwillige Rechtspflege, der
kleine Rechtsverkehr des Markt- und Erwerbslebens, der Selbst-
verwaltung und des Amtslebens, das sind alles ganz wichtige
Faktoren der Ausbildung eines einheitlichen Sprachgebrauchs. Das
große öffentliche Leben innerhalb größerer Territorien und der
Handelsverkehr über ausgedehnte Gebiete, sie schaffen weitere
Spracheinheiten und Sprachgrenzen.
Je bunter die politische Landkarte eines Gebietes, desto bunter
das Rild seiner Sprachkarte2 *. Ja, die Sprachkarte wird sehr oft
1 Vgl. F. Wrede in der Vorrede zum ersten Band der Sammlung: Deut-
sche Dialektgeographie, 1908. •— F. Wrede, Der Sprachatlas des deutschen
Reiches und die elsässische Dialektforschung (Arch. f. d. Stud. d. neueren
Sprachen [1903], 29ff. —- Behaghel, G. d. d. Sprache4, 60ff. —- Emmi Mertes,
Dialektgeographie (Geogr. Zeitschr. 28 [1922], 392ff.).
2 Darum ist z. B. gerade die rheinische Sprachgeographie so schwierig,
aber auch so wichtig, lehrreich und reizvoll (vgl. Frings, Rheinische Sprach-
geschichte [G. des Rheinlandes II, 260]): „Mehr als 200 kleine und kleinste
Territorien überschneiden und’ zerschneiden im Ausgang des Mittelalters die
großen Territoriallandschaften; und alle Winkelzüge, denen damit das gesamte
große und kleine öffentliche Leben ausgesetzt ist, kehren hundertfältig im
Sprachleben wieder.“
Sprachgrenzen folgen den Rechtsgrenzen.
Die bisherigen sprachgeographischen Arbeiten — wie sie in
den letzten Jahrzehnten insbesondere unter Zuhilfenahme des
deutschen Sprachatlas zahlreich durchgeführt wurden — haben
immer wieder den Satz bestätigt, daß die Dialektlinien den poli-
tischen und kirchlichen Grenzen aller Art folgen1. Man erkennt in
den Sprachgrenzen einmal die Reichs- und Landesgrenzen, teils
Gerichts-, Grafschafts-, Kreis-, Herrschaftsgrenzen jeglichen Grades,
ein andermal wieder die Kirchspiel-, Dekanats-, Diözesangrenzen.
In kurzer Formel kann man sagen: Rechtsgrenzen bedingen den
Verlauf der Sprachgrenzen. Darin spiegelt sich die ausschlag-
gebende Redeutung des Rechtsverkehrs für den Sprachverkehr.
Die Sprache lebt und entwickelt sich im Gebrauch, in der fort-
währenden Übung, im steten Ausgleich der einzelnen miteinander
sprechenden Menschen. Mundartbildend ist vor allem der Verkehr
des täglichen Lebens. Und dieser ist größtenteils Rechtsverkehr.
Der prozessuale Rechtsverkehr, die freiwillige Rechtspflege, der
kleine Rechtsverkehr des Markt- und Erwerbslebens, der Selbst-
verwaltung und des Amtslebens, das sind alles ganz wichtige
Faktoren der Ausbildung eines einheitlichen Sprachgebrauchs. Das
große öffentliche Leben innerhalb größerer Territorien und der
Handelsverkehr über ausgedehnte Gebiete, sie schaffen weitere
Spracheinheiten und Sprachgrenzen.
Je bunter die politische Landkarte eines Gebietes, desto bunter
das Rild seiner Sprachkarte2 *. Ja, die Sprachkarte wird sehr oft
1 Vgl. F. Wrede in der Vorrede zum ersten Band der Sammlung: Deut-
sche Dialektgeographie, 1908. •— F. Wrede, Der Sprachatlas des deutschen
Reiches und die elsässische Dialektforschung (Arch. f. d. Stud. d. neueren
Sprachen [1903], 29ff. —- Behaghel, G. d. d. Sprache4, 60ff. —- Emmi Mertes,
Dialektgeographie (Geogr. Zeitschr. 28 [1922], 392ff.).
2 Darum ist z. B. gerade die rheinische Sprachgeographie so schwierig,
aber auch so wichtig, lehrreich und reizvoll (vgl. Frings, Rheinische Sprach-
geschichte [G. des Rheinlandes II, 260]): „Mehr als 200 kleine und kleinste
Territorien überschneiden und’ zerschneiden im Ausgang des Mittelalters die
großen Territoriallandschaften; und alle Winkelzüge, denen damit das gesamte
große und kleine öffentliche Leben ausgesetzt ist, kehren hundertfältig im
Sprachleben wieder.“