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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0014
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G

Frh. v. Künssberg:

Die Mundartgrenzen sind bisweilen recht eigenwillig, sie um-
schließen einen einzelnen Ort oder teilen sogar ein Dorf in zwei
Hälften12.
Von kaum geahnter Wichtigkeit sind die Kirchspielgrenzen.
Das Kirchspiel stellt eine enge Verkehrseinheit dar, nicht nur für
die religiöse Gemeinschaft des Gottesdienstes, sondern auch der
geselligen und verwandtschaftlichen Beziehungen, für das Rechts-
leben kleineren Stils13. Dazu kommt, daß die Kirchspiele ins-
besondere in älterer Zeit vielfach auch politische Einheiten waren,
oder daß die politischen Bezirke einer Mehrheit von Kirchspielen
entsprachen. So ist es zu verstehen, wenn die Kirchspielgrenzen
oft in den Dialektlinien zu finden sind14.
Auch größeren kirchlichen Bezirken können sprachliche Ein-
heiten entsprechen, so die Burzenländer Sprachlandschaft dem
Kronstädter Bezirk der siebenbürgischen evangelischen Landes-
kirche15.

12 Vgl. z. B. die sprachliche Isolierung Nordhausens: Fritz Rudolph,
Dialektgeographie des Honsteinischen (Theutonista I [1924]) 283., —- Das
Dorf Kaldenhausen bei Mörs, das einst zwischen der Grafschaft Mors und
Kurköln geteilt war, zerfällt heute noch in zwei sprachliche Hälften. Frings,
Rh. Spr. G. 253.
13 Selbstverständlich wird auch die Kirchensprache, die Sprache der
Predigt usw. einigen Einfluß ausüben. Dabei verdient vielleicht die Tatsache
Beachtung, daß die evangelische Geistlichkeit die Neigung zur Berufsvererbung,
zur Kastenbildung hat. Da bildet sich leichter eine Berufssprache aus, die
von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben wird. Die gehobene Sprache
des Standes ist sozusagen angeborene Familiensprache. Die katholischen
Priester dagegen stammen vielfach aus bäuerlichen oder sonst einfachen
Schichten des Volkes, ihre gehobene Sprache ist daher häufig eine angelernte,
sie wird viel leichter und in größerem Umfang aus der Volkssprache ergänzt;
sie steht also dieser oft näher. — In Ostfriesland war lange Zeit die reformierte
Kirchensprache niederländisch, die lutherische hochdeutsch. Hahn, Aus-
breitung der hochd. Schriftspr. in Ostfriesland (1912), 155, 159, 161.
14 Leihener, Cronenberger Wörterbuch, 1908 (D. Dial. G. II), S. 73f.
u. 78, Anm. 2. Vgl. Symann, Die politischen Kirchspielgemeinden des Ober-
stiftes Münster (Münsterische Dissertation, 1909). 1— Hanenberg, Studien
zur Niederrhein. Dialektgeographie zwischen Nymegen und Uerdingen, 1915
(D. Dial. G. 8), 275. — Jutz, Die Mundart von Süd-Vorarlberg und Liechten-
stein, 1925 (Germanische Bibliothek I, 1, 15), 338. — B. Martin, Studien zur
Dialektgeographie des Fürstentums Waldeck und des nördlichen Teils des
Kreises Frankenberg, 1925 (D. Dial. G. 15), 153. —• Hommer, Studien zur
Dialektgeographie, (DDialG.l), 1915, S. 55.— Ivück, die Zelle der deutschen
Mundart, 1924, S. 16.
15 Sc keiner, DieMundartd. Burzenländer Sachsen, 1923 (D.Dial.G. 18).
 
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