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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0017
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Rechtssprachgeographie.

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gehandhabt wurde — er geht übrigens auf lateinisches Muster
zurück — den Humanismus überdauert hat und heute noch bei
den meisten guten Schriftstellern fortwirkt, wenn auch unbewußt.
Die Zwei- und Dreigliedrigkeit der deutschen Prosa, namentlich
die Paarformel, wie sie insbesondere vom 14. bis 16. Jahrhundert
in Blüte war, ist gleichfalls aus der Rechtssprache in die Gemein-
sprache übergegangen.
Solchen Ergebnissen der Sprachforschung werden sich so
manche anderen anreihen, wenn einmal die Rechtssprache in
größerem Maße als bisher zum Gegenstand der Forschung gemacht
wird. Für die Vergleichung des Wortschatzes der einzelnen Rechts-
quellen sind erst bescheidene Anfänge gemacht. Ebenso fehlen uns
Untersuchungen darüber, wie einzelne Gesetze oder Rechtsbücher
die Literatur- und Umgangssprache beeinflußten. Die Rezeption
des römischen Rechts, die das deutsche Rechtsleben teilweise so
verhängnisvoll veränderte, hat auch für die Geschichte der deut-
schen Sprache ihre große Bedeutung. Die Verschandelung der
deutschen Sprache durch schwer verdauliche fremde Brocken ist
ja nicht die einzige Folge gewesen. Noch tiefergehend war wohl
der Anteil, den das fremde Recht hatte an der Verdrängung der
Mundart durch die Schriftsprache, an dem Eindringen der hoch-
deutschen Schriftsprache ins niederdeutsche Gebiet23. Es wanderten
damals nicht nur hochdeutsche Juristen, sondern auch hochdeutsche
Rechtsquellen nach Norden. Die Bezeichnung 'Kaiserliches Recht’
mußte gleichfalls im Sinne der Verhochdeutschung wirken. Schließ-
lich trug das gemeine Recht überdies auch zur Spracheinheit bei
und zwar dadurch, daß die Fachwörter des gemeinen Rechts
weiteste Verbreitung fanden und an vielen Stellen die mundart-
lichen Fachwörter der territorialen Rechtssprachen verdrängten,
den Partikularismus der Rechtssprache verringerten. Das gleiche
läßt sich auch — vielleicht in noch höherem Maße — von den Kodi-
fikationen sagen. — Die Beziehungen unserer Dichter zur Rechts-
sprache verdienen besondere Beachtung.23a
23 Vgl. Agathe Lasch, Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur
Mitte des 16. Jahrhunderts, 1910, S. 135ff. -— Für Lüneburg untersucht diesen
Einfluß des römischen Rechts die noch ungedruckte Arbeit meines Mitarbeiters
am deutschen Rechtswörterbuch, Dr. H. Teske, Geschichte der Schrift-
sprache in Lüneburg.
23a Ygp q}e aus qem rechtssprachl. Seminar Heidelberg hervorgegangene
Arbeit: Mackensen, Goethe u. d. Rechtsspr., Deutsche Viertel]ahrsschr. f.
Literaturwiss. 1 (1923) 453 ff.
 
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