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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0015
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

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Politeia die „Gesetze“ folgen ließ! Für wie viele juristisch gebildete
Römer edelsten Sinnes mochte es aber von hoher Anziehungskraft
sein, wenn ihnen hier ein Gedankengefüge entgegentrat, das ihnen
die verlorengegangene Verbindung des zivilen mit dem sakralen,
des irdischen mit dem göttlichen Recht auf einer viel höheren
Stufe erneuerte, ohne sie dem Leben zu entfremden1.
Erst in der Mitte des 3. Jahrhunderts trat der Kampf der
Rechte in ein akutes Stadium, erst seit Decius und Valerian gingen
den Staatsmännern die Augen auf über die Gefährlichkeit einer
nun das ganze Reich überspannenden zweiten Organisation, eines
Staates im Staate mit dem Anspruch höheren Rechtes, über die
Unvereinbarkeit dieser Organisation mit dem Sakralrecht des römi-
schen Staates. Der Kampf mußte um so gewaltsamer, aber
auch um so entscheidender sein, je übersichtlicher und greifbarer
die Entwicklung auf beiden Seiten durch die steigende Zentrali-
sierung geworden war, je mehr auf seiten des Staates der Staats-
kult zum Kaiserkult, der kaiserliche pontifex maximus, der alle
religiösen Dinge zu beaufsichtigen hatte, selbst zum Gegenstand
höchster göttlicher Verehrung, zum dominus ac deus2 geworden
war, und je mehr auf seiten der Kirche das höhere Recht der
Christen auf Weigerung dieses Kults und eigene Kult- und Lebens-
gestaltung durch einige wenige vertreten wurde, deren Haltung
für ganze Reichsteile maßgebend geworden war, durch die Patriar-
chen, die papae von Antiochien und Alexandrien, Karthago
und Rom.
Das Ergebnis war die Kapitulation des Staates vor der Kirche.
Man kann es aber auch anders ausdrücken: der Reichseiniger Con-
stantin trat über, weil er die Möglichkeit und damit sogleich die
Notwendigkeit erkannte, die in der kirchlichen Organisation zutage
getretenen Kräfte zur Stütze des wankenden Staates zu machen.
Die erste Periode, die des Existenzkampfes, war vorüber, beide
standen nun auf einer Fläche. Damit erst befinden wir uns auf
der Plattform, die nun die bleibende wurde. Nicht um ein Nieder-
ringen, sondern ein Ausbalancieren der Kräfte handelte es sich, um
das rechte Ins-Verhältnis-Setzen zweier Größen, die in Freundschaft
zueinander getreten waren. Der Staat war jetzt willens sich durch-
1 Vgl. Ambrosius, De officiis III, 3, 10, 11.
2 So nach Domitian zuerst wieder Aurelian. Wendland S. 150;
Kübler S. 307; Marquardt, 1. c. S. 231 f., 237. — Mommsen, Staatsrecht'2 II,
1047 ff.; Loening, Gesch. cl. deutschen Kirchenrechts I, 22.
 
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