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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0025
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

Munt1, beides geeignet, den nach oben und unten vollendeten
Verfassungsbau der römisch-katholischen Kirche von oben und
unten zu packen, den Kern in der Mitte, das alte Bischofsrecht,
die Stadtdiözese zu zersetzen und in seiner Vereinigung oder
Wiedervereinigung ein neues Gebäude nationalen Rechtes auf-
zurichten. Das eine ist das sakrale Recht des Königs, das andere
das sakrale Recht des Haus- und Grundherrn.
Das erste: es gibt -— so war die Anschauung — im Volke
Geschlechter von erhöhter Lebenskraft, deshalb der Gottheit näher-
stehend, heilig und geweiht, mächtig von Natur, durch ihr Geblüt
dynastisch2. Ein solches königliches Geschlecht, eine geborene
stirps regia, aus der das Volk seinen Führer zu wählen hat, war
wie das Geschlecht des Armin bei den Cheruskern, wie die Sippen
der angelsächsischen Kleinkönige, deren Stammbaum bei Wodan
endete, das salfränkische Geschlecht, das, auf den sagenhaften von
einem Seeungetüm erzeugten Meroveus zurückgeführt, seine ma-
gische, fetischartige Kraft wie Simson, wie aber auch die vandali-
schen Hasdinger im freiwallenden Haupthaar hatte. Eine Mero-
wingerkönigin ließ ihre Enkel lieber hinrichten als scheren, es
schien ihr der erträglichere Tod3. Dieser Königsglaube, der die
religiöse Sehnsucht nach der Mittlerschaft mit den Göttern durch
einen besonders mit Leben ausgestatteten Menschen- und Gottes-
sohn zeigt, war nicht bloß fränkisch. Als die Heruler an der Donau
einen neuen König brauchten, holten sie sich aus der nordischen
Heimat einen aus königlichem Geblüt und, als auch dieser gestorben
war, einen zweiten. In der Zwischenzeit aber gab ihnen Justinian
einen tüchtigen Mann aus dem eignen Volk zum Herrscher. Da
kam der unbekannte, aber echte, und in der Nacht vor der Schlacht
ging das ganze Volk zu ihm über, seinen Untergang durch den
erzürnten Kaiser dadurch besiegelnd4. Es ist bekannt, daß das
1 Vgl. H. v. Schubert, Frühmittelalter, S. 6, 36,'259, 553f., 560, 564,
597, A. 1, und Zur Germanisierung des Christentums in Festschrift für Har-
nack S. 403 (1921); Waas, Vogtei und Bede (1919).
2 F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren MA.
Zur Entwicklungsgeschichte der Monarchie (1914), S. 14ff.; G. Waitz, Deut-
sche Verfassungsgeschichte3 I, 315ff.; Schreuer, Sakralrecht, Zeitschrift f.
Rechtsgesch., Kan. Abt., 1913, S. 305ff.; K. v. Amira in Pauls Grundriß3,
S. 129f.; Brunner, Deutsche Verfassungsgesch.2 I, 175; R. Schröder-E. v.
Künssberg, Deutsche RG.G, S. 29 (1922) usw.
3 Tacitus, Germ. 7, 43, Ann. XI, 16; Beda, Hist. eccl. gent. Angl. I,
15; Greg. Tur., Hist. Franc. II, 9, IX, 36, III, 18.
4 Prokop, Bell. Goth. II, 15.
 
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