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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0054
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54

Hans y. Schubert:

Christentums ihren Sinn. Die auf ihre Innerlichkeit und Geistig-
keit zurückgeführte Kirche konnte wohl wünschen, die Verwaltung
ihrer inneren Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und
als öffentlich-rechtlicher Verband innerhalb der Staaten anerkannt
und geschützt zu werden, aber ein mit dem staatlichen konkur-
rierendes geistliches Weltrecht nie hervorbringen, und auch die Ver-
suchung ihr Wesen zu wandeln fehlte, solange die Volksorganisation,
die sie umgab, ihre Rechtssatzungen und Entscheidungen auf dem
Boden desselben christlichen Volksgeistes gewann.
Diese protestantische Welt, die im 16. und 17. Jahrhundert
unter schwersten Kämpfen entstand, gleichberechtigt neben Rom
und eifersüchtig wachend über diese ihre Parität und Freiheit, trug
einen relativ geschlossenen Charakter und wirkte wie eine kompakte
Masse. Sie verdankte das dem auf Staatskirche gehenden Zug,
der die Monarchien des Abendlandes an der Schwelle der neuen
Zeit beherrschte. Der Staat der Reformationszeit, der bisherigen
Hemmungen durch die Kirche des Rechtes ledig, empfing voll
dankbarer Freude die Kirche des Wortes und fügte sie sich ganz
ein, ohne die gleichen Gefahren damit heraufzubeschwören, wie
einst Constantin. Er tat es mit all der Unduldsamkeit gegen
Andersdenkende, die ihres Bleibens in diesem Staate nicht mehr
hatten, weil sie mit seinem Bekenntnis nicht einverstanden waren.
Geschlossen-protestantische Staaten mit Landeskirchen luther-
ischen, zwinglischen, calvinischen oder aus all diesen Elementen
gemischten evangelischen Gepräges neben den Staaten, deren Leiter
und Völker dem alten Glauben treu geblieben waren — das war
das neue Bild. Diese protestantische Welt verschloß sich dem
Rechte Roms.
Und dennoch hat dieser gewaltige Verlust einen Gewinn zur
Kehrseite und setzt schon auf dieser Stufe die Entwicklung an,
die den Pendel allmählich wieder nach der andern Seite lenkte.
Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, daß 1521 Karl V., der
in Worms dem päpstlichen Bann die kaiserliche Acht gegen Luther
folgen ließ, es unterließ, dem Landesfürsten Luthers dies Wormser
Edikt auch nur zuzustellen1, daß aber drei Jahre darauf 1524
im Regensburger Konvent sich Ferdinand von Österreich, die
Wittelsbacher und einige süddeutsche Bischöfe zusammentaten,
um das Wormser Edikt mit aller Strenge in ihren Gebieten durch-
zuführen. Wie dort im Lande der Wettiner der neue geschlossen

1 Kirn, a. a. O., S. 143.
 
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