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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0061
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

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Raum schufen, in dem sich ein akatholisches, durch das geistliche
Recht nicht regiertes Leben überhaupt entfalten konnte. Daß in
jedem der kleinen Gebiete jeder sich entscheiden könne, wie er
wolle, schien unerträglich, schwärmerisch; der Personalismus der
Religion wurde in Deutschland ausgetilgt. Aber nachdem 130 Jahre
vergangen waren, und in schwersten Kriegen jene protestantische
Welt entstanden war, in der eine neue, von Rom und seinen Bin-
dungen freie Atmosphäre herrschte, da konnte aus den Tiefen
eines Volkes heraus, das jetzt erst seine eigentliche Reformation
in der großen Zeit Cromwells erlebte, das Wort Gewissensfreiheit
zur allgemeinen Parole erhoben werden. Vier Jahre nach dem west-
phälischen Frieden rief Cromwell sein „Parlament der Heiligen“
zusammen, das allen Toleranz zusagte, that profess Christ1. Und
die glorreiche Revolution Wilhelms III. anerkannte nach der Re-
stauration der Stuarts im wesentlichen das große Ergebnis, das
von da an langsam auf die übrige Welt einwirkte. Während auf
dem deutschen Boden die äußeren Verhältnisse zwangsläufig dazu
führten, war das Entscheidende auf dem Boden des außerdeutschen
Protestantismus der innere Zwang, der in dem Wesen der hier
gepflegten Religiosität lag. So schwer sich die vielgestaltige Er-
scheinung begrifflich fassen läßt, eben weil sie enthusiastisch war,
so sicher zu den puritanisch-calvinistischen, täuferisch-sektenhaften,
spiritualistisch-mystischen Elementen auch humanistische Einflüsse
traten, so gewiß die Forderung der wissenschaftlichen Denkfreiheit
von seiten einzelner geistiger Kämpfer eine Rolle spielte, das Grund-
legende und Entscheidende war doch die Macht des religiösen
Gewissens und die Unmittelbarkeit des religiösen Erlebens2. Die
1 Weingarten S. 110, Tröltsch, Soziallehren S. 747ff. (Anm. 415 die
Literatur), dazu A. O. Meyer, Die Toleranz unter den Stuarts, Hist. Ztschr. 1912
S. 255 ff. Cromwell selbst: Liberty of conscience is a natural right (3. Rede, ed.
Carlyle III, 68) und das Parlament: as for the truth and power of religion, it
being a thing intrinsical between God and the soul, we conceive, there is no humane
power of coertion thereunto; Weingarten S. 110, A. 3. Einen besonderen und
frühen Anteil haben die Baptisten an dem Fortschritt der Idee, wie die Tracts
on lib. of consc. 1614—61 (1846) zeigen. Im ersten von Busher (1614) stehen
doch Sätze wie der: the hing and parliament may please to permit all sorts of
Christians, yea: Lews, Turks and pagans so long as they are peaceable (S.33).
2 Außer Tröltsch, Soziallehren, S. 733ff., und Seeberg, Dogmen-
geschichte Y (1920), S. 94 u. 97, vgl. die eindringende Darstellung bei Müller
II, 2, 438—516 (1917), die zum ersten Male auch die Bedeutung des Acontius,
auch für England, herausgestellt hat. Die Rolle, die die Praedestinationslehre
 
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