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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0020
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20

Heinrich Mitteis:

aber auch hier erfolgt ohne eigentliche Sacheinlassung die Ver-
urteilung zu der nach der lex loci fälligen Buße wegen räuberischen
Überfalls. Indessen haben wir auch Prozeßurkunden, die gleich-
sam praktische Fälle zu den Blankettregeln der Urkundensamm-
lungen enthalten1.
Daß gerade im königsgerichtlichen Verfahren sich eine Sach-
verurteilung in contumaciam herausbilden konnte, läßt sich noch
durch eine weitere Erwägung wahrscheinlich machen2. Von jeher
nimmt unter den Kapitalverbrechen der Landesverrat eine ganz
besondere Stellung ein; schon bei Tacitus c. 12 erscheint er unter
den todeswürdigen Delikten; sicher ist er niemals zu den bloß
sühnbaren Bußfällen gezählt worden; man kann annehmen, daß
den Landesverräter stets Friedlosigkeit ipso facto getroffen hatte
und das Urteil der Volksgemeinde über ihn nur deklaratorischen
Inhalts war3. In fränkischer Zeit nimmt der Landesverrat mehr
und mehr den Charakter des Hochverrats an und wird in die große,
vage Gruppe der Infidelitätsfälle eingereiht4; seine prozessuale
Behandlung aber blieb dieselbe und das Urteil des Königsgerichtes,
vor das der Hochverrat als todeswürdiges Verbrechen gehörte5,
dürfte gleichfalls nur deklaratorischer Natur gewesen sein. Das
bedeutet, daß auch gegen den flüchtigen Verräter ein Sachurteil
möglich gewesen sein muß. Dafür haben wir auch einen indirekten
Beweis, insofern als tit. 18 der Lex Salica die falsche Anklage eines
Abwesenden vor dem König unter die Strafe der Lebensgefährdung
(zu erschließen aus der Glosse seolandefa) stellte. Daß es sich
hier ursprünglich stets um die Anklage wegen Verrats gehandelt
1 Vgl. das Placitum Sigeberts von 648 in Neues Archiv XIII, 157, sowie
die berühmte Urkunde (notitia geist carta) bei M. Thevenin, Textes relatifs
aux institutions privees et publiques aux epoques Merovingiennes et Caro-
lingiennes, Paris 1887, p. 140, dazu Hübner, Immobiliarprozeß der fränk. Zeit
(1893), S. 233ff.
2 Zum folgenden Brunner, DRG. II, 685ff.; Schröder6 S. 80, 126,
383, wo weitere Lit.; v. Schwerin, DRG. 174; v. Amira, die germanisch.
Todesstrafen (1922) 73; E. Mayer, Gerichtssaal 89 (1924), S. 365, 382; Haid-
len, Hoch- und Landesverrat nach altdtsch. Recht (Tüb. Diss. 1897).
3 Dabei will ich die schwebende Frage unerörtert lassen, ob dieser Fall
einem primären System weltlicher Todesstrafen angehörte oder nur eine Voll-
zugsnorm für die Friedlosigkeit bestand. Vgl. Amira a. a. 0. und Stutz, ZRG.
43, 337ff.
4 Beyerle, a. a. O. 29, bes. A. 28.
5 Schröder, a. a. O., 186; IIaidlen 183.
6 Vgl. Lex Ribuaria 38.
 
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