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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0027
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Politische Prozesse.

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,,Machtspruches“, wie man nach Analogie des absolutistischen
Staatsrechts sagen könnte, hinstellt, im Rahmen des Wirklichen
oder damals Möglichen blieb, muß doch dahingestellt bleiben und
wird sich wohl nie mit Sicherheit ermitteln lassen1.
5. Hatten wir bisher eine gewisse Einfachheit und Folgerichtig-
keit der Entwicklung zu beobachten gehabt, so kommen wir mit
den Prozessen Konrads II. in ein Gebiet schwer entwirrbarer
Widersprüche. Wird doch dieser Herrscher auf der einen Seite als
der Hort der Gerechtigkeit gepriesen ■— auf der andern scheint er
aber in dem Verfahren gegen unbotmäßige Vasallen sich über alle
Rechtsschranken hinweggesetzt zu haben. Vor allem ist es ein
Prozeß, der immer wieder von Historikern als Willkürv er fahren
hingestellt wird, der gegen Adalbero von Kärnthen. Wir be-
sitzen über ihn außer dürftigen annalistischen Nachrichten2 einen
ziemlich ausführlichen Prozeßbericht in dem Briefe eines unbe-
kannten Klerikers an den Rischof von Worms3. Mag man diesen
Umstand auch mit Niese als ein Glück bezeichnen, so wird man
sich doch durch die Tendenz des zweifellos nicht unparteiischen,
weil fürstenfreundlichen Schriftstücks nicht allzu stark beeinflussen
lassen dürfen. Sicher ist nur das eine, daß es sich um ein Verfahren
in Abwesenheit des Geklagten handelte; aber für die Beurteilung
des Verfahrens im einzelnen versagen alle aus dem Volksrecht
gewonnenen Maßstäbe. Zwar könnte man über die Tatsache, daß
wir von Ladungen nichts hören, mit der Erwägung hinwegkommen,
daß aus dem Schweigen der Quellen noch nicht mit Notwendigkeit
auf das Fehlen einer vorhergehenden gerichtlichen Einlassung ge-
schlossen werden dürfte. Übrigens berufen sich die Fürsten bei

1 Nicht ganz ohne Interesse ist der einzige politische Prozeß HeinrichsII.,
den Franklin FDG. IY 492 aus Alperts de diversitate temporum (darüber
Jacob, Quellenkunde der dtsch. Gesch. im MA. I [1921], S. 118) bringt. Dieser
berichtet, Graf Balderich, der Gemahl jener Adele, die man die „deutsche
Medea“ genannt hat, habe sich auf einem Reichstag zu Nimwegen von dem
Vorwurf des politischen Mordes reinigen wollen, aber die Großen des Hofs
haben ihm den Weg zum Reinigungseide verlegt, quia convictus tarn manifestis
iudiciis periurus existeret. Es ist dies ein sehr früher Beleg für manifestus -
handhaft, zugleich ein Ansatz zur Fortgestaltung des Handhaftverfahrens.
Über manifestus = handhaft vgl. Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit (u. S. 32 A. 1),
S. 16, N. 2.
2 Wipo Gesta Ghuonradi c. 6: divina et humana iura utiliter distribuebat.
c. 38: pacem firmando, legem faciendo revisit, usw.
3 Bei Giesebrecht, Gesch. d. dtsch. Kaiserz. II, S. 712.
 
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