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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0030
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30

Heinrich Mitteis:

Herzogtum zurückerhalten, aber wegen Verweigerung cles pro-
missorischen Eides auf Verfolgung Werners wieder verloren habe.
Mag es nun richtig sein oder nicht, was Bresslau früher1 an-
genommen und mit einigem Vorbehalt auch gegen Holtzmann2
noch. aufrechterhalten hat3, daß Wipos Darstellung hier unzu-
treffend und jene Restitution schon auf 1028 zu setzen ist ■— m. E.
ist die Wendung Wipos recepit, eo tenore ut Wezelonem militem
suum . . . quasi hostem rei publicae cum omnibus suis persequeretur
idque se facturum cum sacrcimento conjirmaret durchaus technisch
zu nehmen, indem tenor mit „Bedingung“ wiederzugeben ist.
Freilich verbietet die Unsicherheit über die mittellateinische Rechts-
terminologie, eine absolut präzise Behauptung aufzustellen. Aber
daß bedingte Belehnungen damals denkbar waren, das zu leugnen
bietet die Struktur der germanischen Sachenrechte keine Veran-
lassung. So wäre denn der Verlust der Lehen die automatische
Wirkung einer Resolutivbedingung, ein dahin zielendes Rechts-
verfahren also nicht anzunehmen. Daß eine historische Quelle
trotzdem vom privari ducatu spricht4, kann wohl gegen dieses Er-
gebnis nicht verwertet werden.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß man aus den Prozessen
Konrads II. allerdings den Eindruck einer größeren Formlosigkeit
gewinnt, als irgendwelche Rechtsverfahren gegen königlicheVasallen
vorher oder nachher aufweisen. Aber der Gedanke eines illegalen
Verhaltens ist trotzdem von der Hand zu weisen; nur daß eben
der Rechtsbestand der königlichen Lehnsmannen damals noch eine
höchst geringe Festigkeit aufwies. Wir befinden uns, verfassungs-
geschichtlich gesehen, in einer Übergangsperiode: die noch in der
karolingischen Epoche wirksamen, auch den einzelnen schützenden
Verfassungsgarantien des Volksrechts haben nicht mehr die alte
Kraft, und das an ihre Stelle zu treten bestimmte Gleichgewichts-
und Gegenseitigkeitsverhältnis des Lehnrechts ist erst noch in
vollster Bildung begriffen. Es ist durchaus nicht gesagt, daß die
materiellen Verfehlungen der verurteilten Fürsten nicht auch ein
Rechtsverfahren nach Landrecht aussichtsreich gestaltet hätten5;
solche Prognosen ex post sind sogar heute noch, geschweige denn
1 Jahrbücher Konrads II., Bd. I, S. 217.
2 Neues Arch. 35, 82ff.
3 In seiner Wipo-Ausgabe S. 43, N. 6.
4 Hermannus Contractus MG. Scr. Y, 121 (zit. bei Niese).
5 A. M. Rosenstock, a. a. O., S. 321.
 
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