Metadaten

Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0060
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
60

Heinrich Mitteis:

König die Fürsten in eine „besceidene stat“ vorladen soll. Aber
der Schwabenspiegel (Lehnrecht Art. 145) ist andrer Ansicht: Nur
den Tag soll der König den Fürsten bestimmen, nicht auch den
Ort1; denn wo der König immer sei, könne man um Lehnrecht
dingen. Und ob das, wie Ficker2 meint, ein Mißverständnis der
sächsischen Vorlage war, scheint mir zweifelhaft: Vielleicht ist
hier der süddeutsche Spiegler besser unterrichtet als der sächsische3.
Für das Landrecht hat man, soviel ich sehe, die Frage noch nicht
ventiliert; und doch haben wir hier eine noch viel eindrucksvollere
Sachsenspiegelstelle:
Ldr. III, 64, § 1: Biit de koning des rikes dienst oder sinen hof
mit ordelen, unde let ine kündegen den vorsten mit sime brieve unde
ingesegele ses weken er he werden sole, den solen se Silken binnen
düdischer art svar he is; laten sie H sie wedden dar umme.
Hier ist also von einer „besceidenen stat“ gar nicht die Rede;
das bedeutet, daß die Fürsten den Königshof ,,suchen“ müssen
nicht nur im Sinne von besuchen, aufsuchen, sondern im strengsten
Sinne: sie tragen die Verantwortung für ihr Erscheinen und müssen
sich erkundigen, wo der König zu finden sei. Daß die Ladung dabei
1 Zutreffend weist Schambach S. 270 auf eine Stelle einer Erfurter
Chronik hin, wonach der Kaiser dem Herzog multas inducias, plures regales
curias gesetzt habe. Das spricht ebenfalls dafür, daß es neben den in den
Quellen benannten Hoftagen noch unbenannte Termine gegeben habe.
2 Reichsfürstenstand II, 2, S. 52.
3 Ich möchte hierzu prinzipiell bemerken: Es ist unter den Rechts-
historikern Gepflogenheit geworden — offenbar als Reaktion gegenüber den
Angriffen Zallingers, vgl. Schroeder-v. Künssberg, DRG., S. 723, Nr. 27
-— in der Verteidigung des Ssp. als Rechts- und Geschichtsquelle ein beson-
deres Verdienst zu sehen (typisch etwa Feiir, ZRG. 32, 562). Hierbei ist aber
zu beachten, daß sich der Blickpunkt etwas verschoben hat. Während man
früher die subjektive Wahrheitsliebe Eike v. Repgows verdächtigte und
ihm Tendenz und Phantastik vorwarf, wird heute aus einer Reihe ganz ob-
jektiver Beobachtungen die Folgerung gezogen, daß Eike aus den Verhält-
nissen heraus, in denen er lebte, doch nur ganz aus der Ferne die Zustände
am Königshofe und die großen Ereignisse der Reichspolitik verfolgen konnte.
Also nicht an der Wahrhaftigkeit, sondern an der unbedingten Allgemein-
gültigkeit seiner Aufstellungen wird die kritische Sonde anzusetzen sein. Be-
sonders aufschlußreich sind die Forschungen von Pfalz-Voltelini in Wiener
SB. 1924, insbesondere der Aufsatz „Der Ssp. und die Zeitgeschichte“, sowie
die letzten Arbeiten Frensdorffs in den Göttinger Nachrichten. Ähnliches
vermutete aber schon vor Jahrzehnten Ficker, nur daß seine Ansicht un-
bekannt blieb (vgl. Reichsfürstenstand II, 3, S. 326).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften