Politische Prozesse.
63
Noverit Universitas,
qualiter Henricus
eo quod . . . libertatem . . .
oppresserat . . .
[:trina] eitatione vocatus
maiestati nostre presentari con-
tempserit et pro hac contuma-
cia . . . . proscriptionis nostre
incederit sententiam.
Deinde ....
tarn pro illorum iniuria quam
pro contemptu nobis exhibito etc.
legitimo trino edicto citatus
eo quod se absent ass et nec
.misisset responsalem
contumax iudicatus est.
Alles was in diesem Schema oberhalb der Erwähnung der
Ladungen steht, sind ganz ersichtlich Ladungsgründe; was unter-
halb steht, ist die Urteilsgrundlage —• also beide Male lediglich die
contumacia! Nur aus einer sehr fein durchgeführten stilistischen
Abwechslung heraus verbindet der Diktator einmal die Urteils-
gründe mit pro (im landrechtlichen Verfahren), während im lehn-
rechtlichen die Ladungsgründe mit pro eingeführt werden; um-
gekehrt bezeichnet der selbständige Nebensatz mit eo quod im
landrechtlichen Verfahren die Ladungs-, im lehnrechtlichen die
Urteilsgründe.
Diese Auffassung ist nicht neu. Sie greift vielmehr auf die
Lösung zurück, die schon Ficker für die Frage der Urteilsbegrün-
dungen gefunden hatte, als er sich zum zweiten Male1 mit dem
Prozeß Heinrichs des Löwen beschäftigte. Schon damals erklärte
er die contumacia für die einzige Urteilsgrundlage. Die Gelnhäuser
Urkunde enthält sich also jeder Äußerung darüber, ob Heinrich
der ihm zur Last gelegten Delikte schuldig zu befinden sei. Man
kann auf Grund dieses authentischen Tenors nicht behaupten,
Heinrich sei „wegen Hochverrats“ verurteilt worden. Eine Schuld
wird ihm nur insofern beigemessen, als er für einen contumax
erklärt wird, oder, wie der landrechtliche Spruch lautet, weil er
das Gericht verschmäht hat. Und das entspricht wieder durchaus
dem typischen Schuldbegriff des früheren Mittelalters. Prozeß und
Privatrecht gehen in dieser Hinsicht vollkommen parallel: In beiden
wird jede Nichtleistung, jede Versäumnis des Pflichtigen als schuld-
haft, absichtlich angesehen, solange er nicht durch Berufung auf
gewisse, meist ebenso typisch abgegrenzte Fälle der „echten Not“
1 Forschungen zur dtsch. Gesch. XI (1871), S. 305ff.
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Noverit Universitas,
qualiter Henricus
eo quod . . . libertatem . . .
oppresserat . . .
[:trina] eitatione vocatus
maiestati nostre presentari con-
tempserit et pro hac contuma-
cia . . . . proscriptionis nostre
incederit sententiam.
Deinde ....
tarn pro illorum iniuria quam
pro contemptu nobis exhibito etc.
legitimo trino edicto citatus
eo quod se absent ass et nec
.misisset responsalem
contumax iudicatus est.
Alles was in diesem Schema oberhalb der Erwähnung der
Ladungen steht, sind ganz ersichtlich Ladungsgründe; was unter-
halb steht, ist die Urteilsgrundlage —• also beide Male lediglich die
contumacia! Nur aus einer sehr fein durchgeführten stilistischen
Abwechslung heraus verbindet der Diktator einmal die Urteils-
gründe mit pro (im landrechtlichen Verfahren), während im lehn-
rechtlichen die Ladungsgründe mit pro eingeführt werden; um-
gekehrt bezeichnet der selbständige Nebensatz mit eo quod im
landrechtlichen Verfahren die Ladungs-, im lehnrechtlichen die
Urteilsgründe.
Diese Auffassung ist nicht neu. Sie greift vielmehr auf die
Lösung zurück, die schon Ficker für die Frage der Urteilsbegrün-
dungen gefunden hatte, als er sich zum zweiten Male1 mit dem
Prozeß Heinrichs des Löwen beschäftigte. Schon damals erklärte
er die contumacia für die einzige Urteilsgrundlage. Die Gelnhäuser
Urkunde enthält sich also jeder Äußerung darüber, ob Heinrich
der ihm zur Last gelegten Delikte schuldig zu befinden sei. Man
kann auf Grund dieses authentischen Tenors nicht behaupten,
Heinrich sei „wegen Hochverrats“ verurteilt worden. Eine Schuld
wird ihm nur insofern beigemessen, als er für einen contumax
erklärt wird, oder, wie der landrechtliche Spruch lautet, weil er
das Gericht verschmäht hat. Und das entspricht wieder durchaus
dem typischen Schuldbegriff des früheren Mittelalters. Prozeß und
Privatrecht gehen in dieser Hinsicht vollkommen parallel: In beiden
wird jede Nichtleistung, jede Versäumnis des Pflichtigen als schuld-
haft, absichtlich angesehen, solange er nicht durch Berufung auf
gewisse, meist ebenso typisch abgegrenzte Fälle der „echten Not“
1 Forschungen zur dtsch. Gesch. XI (1871), S. 305ff.