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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0072
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72

Heinrich Mitteis:

angeglichen, die wir in allen Fällen1 beobachten konnten. Sechs
Wochen und drei Tage hießen später geradezu die „Königszeit“2.
Und nun beachte man die Länge der Zeit zwischen dem Würz-
burger Adjudikationsspruch und der Weiterverleihung in Geln-
hausen. Zwischen dem 13. Januar und dem 13. April 1180 liegen genau
12 Wochen und sechs Tage3! Zwei „Königszeiten“ gewährte
man also Heinrich dem Löwen als Ausziehfristen für seine heim-
gefallenen Lehen. Dazu stimmt die ansprechende Vermutung
Güterbocks4, daß auch die Beleihung Bernhards von Anhalt mit
dem Rest von Sachsen erst in Gelnhausen stattgefunden hat, un-
mittelbar vor der Beleihung Kölns mit der Fahne, denn die Urkunde
spricht davon im Perfektum.
So können wir vielleicht von diesem, aus juristischen Erwä-
gungen heraus gewonnenen Standpunkt aus die Frage beant-
worten, warum im Prozesse Heinrichs des Löwen ein Verfahren
nach Landrecht neben einem Verfahren nach Lehnrecht steht. Wir
haben beobachtet, wie das 12. Jahrhundert neben dem landrecht-
lichen Ungehorsamsverfahren mit seiner Achterklärung ein beson-
deres lehnrechtliches, insbesondere auf die dingliche Wirkung ab-
zielendes Versäumnisverfahren ausgebildet hat, in dem Elemente
des karolingischen Rechtes behauptet und fortgebildet erscheinen.
In früheren Prozessen ist diese Doppelung nur ansatzweise, em-
bryonal zu erkennen: im Verfahren gegen Heinrich den Löwen
sehen wir sie in voller Durchführung; beide Verfahren stehen voll-
wertig nebeneinander — ja, das lehnrechtliche erscheint fast als
das bedeutungsvollere. Kurz seien noch einmal die Unterscheidungs-
merkmale hervorgehoben: Einmal sehen wir, wie schon im Prozeß
Ekberts, eine wichtige Verschiedenheit in der Besetzung des Ge-
richts. Das landrechtliche Urteil wird bezeichnet als sententia
principum et sue conditionis Suevorum, das lehnrechtliche nur
von den principes gefällt. Ich brauche darauf nicht näher einzu-

1 S. oben S. 34; Schwsp. Lehnr., c. 145. Für später insbes. MG. Const.
VIII, S. 60 v. 1346 und mehrfach in Ladungsschreiben zur Königswahl.
2 Grimm, Rechtsaltertümer II, 301. Dazu ist zu bemerken, daß auch
im kais. Landgericht Rottweil die Frist von 6 Wochen und 3 Tagen zweimal
gewährt wurde: Einmal bis zum Erlangen der Nutzgewere, das zweitemal für
Folge und Schirmbrief. Köhler, Rottweil, S. 97.
3 D. h. die Frist war am 12. April abgelaufen; am 13. April, dem Palm-
sonntag 1180, ist die Urkunde ausgestellt.
4 I, S. 185.
 
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