Studien zur Spätscholastik. III.
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dieser Spätere, und was in aller Welt bewog ihn zu so wunderlichen
Zusätzen ?
Der Prozeß Johanns von Wesel ist nicht allzu lange nach seinem
Tode zum Gegenstand einer heftigen literarischen Fehde geworden.
Man kennt die endlosen, das ganze 15. Jahrhundert erfüllenden
Streitigkeiten um das neue, von der Kurie noch nicht bestätigte
skotistische Dogma von der unbefleckten Empfängnis der Gottes-
mutter. Ursprünglich zwischen den beiden großen Bettelorden aus-
getragen, zog der Streit allmählich immer weitere Kreise und ver-
band sich in wunderlichster Weise als ein accidens mit Schulgegen-
sätzen ganz anderer Art. Die Dominikaner, auch in diesem Punkte
starre Verfechter der Lehren ihres Meisters Thomas, der die sünd-
lose Empfängnis Mariä gegen ältere Doktrinen bestritten hatte,
gerieten bei der sich immer schwärmerischer steigernden Marien-
verehrung der Zeit allmählich in eine bedenkliche Isolierung gegen-
über der öffentlichen Meinung. Die Minoriten nützten diese Lage
aus, um ihre ohnehin größere Popularität noch zu erhöhen und
ihren Rivalen kräftig Abbruch zu tun. Im Weltklerus, insbesondere
bei den Kanzelrednern, die den Lobpreis Mariens als ein besonders
beliebtes Thema eifrig pflegten (keine Kanzelrede ohne ihren An-
ruf!), fand die skotistische Lehre um so stärkeren Anklang, als es
ohnedies längst zu ihren Standestraditionen gehörte, die Tätigkeit
des Predigerordens als lästige Konkurrenz zu betrachten und bei
passender Gelegenheit den gehaßten Rivalen eins auszuwischen. Es
konnte nicht fehlen, daß der Gegensatz von ,,Makulisten“ und
,,Immakulisten“ auch auf den Universitäten eindrang und den
— ohnedies längst verworrenen — Schulstreit von via antiqua und
via moderna noch weiter vergiftete. Wohl nirgends war hierfür der
Boden so wohl vorbereitet, wie in Heidelberg; wie eng der Schnl-
streit hier in seinem Ursprung mit einer altererbten Eifersucht
der Heidelberger Hochschule gegen die dem Predigerorden besonders
nahestehende Kölner Universität zusammenhing, hat die zweite
dieser ,,spätscholastischen Studien“ gezeigt. Kurfürst Lriedrich I.,
der 1452 die via antiqua in Heidelberg durch Kölner Professoren
einführen ließ, setzte hier 1476 auch die Gründung eines Klosters
der Dominikaner nebst Studienhaus durch, das der Universität
angeschlossen wurde — offenbar doch in der Absicht, dem Thomis-
mus, der via antiqua, einen breiteren Boden zu verschaffen. Aber
vielleicht fiel seine Unvereinbarkeit mit dem Übrigen schon Hartmann
Schedel auf, aus dessen Besitz der Clm. 443 stammt?
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dieser Spätere, und was in aller Welt bewog ihn zu so wunderlichen
Zusätzen ?
Der Prozeß Johanns von Wesel ist nicht allzu lange nach seinem
Tode zum Gegenstand einer heftigen literarischen Fehde geworden.
Man kennt die endlosen, das ganze 15. Jahrhundert erfüllenden
Streitigkeiten um das neue, von der Kurie noch nicht bestätigte
skotistische Dogma von der unbefleckten Empfängnis der Gottes-
mutter. Ursprünglich zwischen den beiden großen Bettelorden aus-
getragen, zog der Streit allmählich immer weitere Kreise und ver-
band sich in wunderlichster Weise als ein accidens mit Schulgegen-
sätzen ganz anderer Art. Die Dominikaner, auch in diesem Punkte
starre Verfechter der Lehren ihres Meisters Thomas, der die sünd-
lose Empfängnis Mariä gegen ältere Doktrinen bestritten hatte,
gerieten bei der sich immer schwärmerischer steigernden Marien-
verehrung der Zeit allmählich in eine bedenkliche Isolierung gegen-
über der öffentlichen Meinung. Die Minoriten nützten diese Lage
aus, um ihre ohnehin größere Popularität noch zu erhöhen und
ihren Rivalen kräftig Abbruch zu tun. Im Weltklerus, insbesondere
bei den Kanzelrednern, die den Lobpreis Mariens als ein besonders
beliebtes Thema eifrig pflegten (keine Kanzelrede ohne ihren An-
ruf!), fand die skotistische Lehre um so stärkeren Anklang, als es
ohnedies längst zu ihren Standestraditionen gehörte, die Tätigkeit
des Predigerordens als lästige Konkurrenz zu betrachten und bei
passender Gelegenheit den gehaßten Rivalen eins auszuwischen. Es
konnte nicht fehlen, daß der Gegensatz von ,,Makulisten“ und
,,Immakulisten“ auch auf den Universitäten eindrang und den
— ohnedies längst verworrenen — Schulstreit von via antiqua und
via moderna noch weiter vergiftete. Wohl nirgends war hierfür der
Boden so wohl vorbereitet, wie in Heidelberg; wie eng der Schnl-
streit hier in seinem Ursprung mit einer altererbten Eifersucht
der Heidelberger Hochschule gegen die dem Predigerorden besonders
nahestehende Kölner Universität zusammenhing, hat die zweite
dieser ,,spätscholastischen Studien“ gezeigt. Kurfürst Lriedrich I.,
der 1452 die via antiqua in Heidelberg durch Kölner Professoren
einführen ließ, setzte hier 1476 auch die Gründung eines Klosters
der Dominikaner nebst Studienhaus durch, das der Universität
angeschlossen wurde — offenbar doch in der Absicht, dem Thomis-
mus, der via antiqua, einen breiteren Boden zu verschaffen. Aber
vielleicht fiel seine Unvereinbarkeit mit dem Übrigen schon Hartmann
Schedel auf, aus dessen Besitz der Clm. 443 stammt?