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Jänecke, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 3. Abhandlung): Die drei Streitfragen am Grabmal Theoderichs — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38937#0014
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14

Wilhelm Jänecke:

heitslösung der teilweise unter dem Kämpfergesimse liegenbleiben-
den Muschelaufsätze im Untergeschosse. Priess’ Vermutung, daß
das Mauerwerk der vier Ecken zur Erreichung der Kreuzform erst
nachträglich eingebaut sei, ist bei den durchlaufenden wagerechten
Fugen nicht aufrecht zu erhalten. Es liegt kein Grund vor, daran
zu zweifeln, daß Theoderich -— wenigstens anfänglich — das Unter-
geschoß genau wie bei Galla Placidias Mausoleum zur Aufstellung
seines Sarkophags inmitten der später aufzustellenden Särge seines
Geschlechts vorgesehen hat. Nach Vollendung des Obergeschosses,
dessen Aufführung nicht nur durch die Nachahmung der syrischen
— neuerdings auch in Nordafrika (Leptis magna) nachgewiesenen —
Grabturmform sondern vor allem wohl auch durch die nach Theo-
derichs Tode eintretende Unsicherheit der Zeiten zu erklären sein
wird, mag man sich gleichzeitig dazu entschlossen haben, den
Sarkophag des großen Toten, der das Teuerste des bedrängten
Volkes barg, in dieser unzugänglichen Höhe aufzustellen und damit
zugleich die Benutzung des Oberraumes durch die angefügte kleine
Altarnische als Gedächtniskapelle zu verbinden. Die Annahme von
Bruno Schulz, daß diese kleine Nische als eine Art Arcosol zur
Aufnahme von Theoderichs Leichnam bestimmt gewesen sei, ist
von Haupt unter Hinweis auf die geringe Breite von 1,78 und das
störende Ostfenster treffend zurückgewiesen. Wenn man einen
solchen weiträumigen zweigeschossigen Bau errichtete, brauchte
man den Hauptzweck nicht in diesem winzigen, den äußeren Umriß
empfindlich störenden Anbau zu verstecken. Für die seltene Be-
nutzung des Oberraumes als Gedächtniskapelle wurden vermutlich
hölzerne Treppenbauten an den Bau herangeschoben, wenn man
nicht mit Holtzinger vor Errichtung der steinernen Freitreppen
auch hier schon früher eine Steintreppe (vor 1774) annehmen will.
Ausgeschlossen erscheint es nicht, daß für die Errichtung eines
trockenen Obergeschosses auch die bis auf den heutigen Tag un-
günstigen Grundwasserverhältnisse mitbestimmend waren.
Von den neueren deutschen Forschern haben nur Goetz und
Durm an dem Gedanken festgehalten, daß Theoderichs Sarkophag
im Untergeschosse gestanden habe und das Obergeschoß lediglich
als Grabkapelle diente. Frankl1 hat dagegen von „einer einzig-
artigen monumentalen Geste“ bei Aufstellung von Theoderichs
Sarkophag in einem durch Treppen nicht zugänglichen Ober-
geschosse gesprochen. Ganz zutreffend erscheint der Ausdruck

1 a. a. O. S. 7.
 
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