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Jänecke, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 3. Abhandlung): Die drei Streitfragen am Grabmal Theoderichs — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38937#0009
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Die drei Streitfragen am Grabmal Theoderichs.

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ergebnisreichen Doktor-Dissertation Max Händel1 und kam dabei
zu dem überraschenden Ergebnisse, daß dessen geometrisches Orna-
ment nicht jünger, sondern älter sei als das lesbische Kyma, von
dem man es bisher abgeleitet hatte. Ich komme hierauf noch
unten zurück. Mehr in das Gebiet der reinen Vermutungen geriet
mit seinen im übrigen höchst verdienstlichen Arbeiten Friedrich
Priess2. Daß Theoderichs Leichnam auf dem elfenbeinernen Stuhle
des Bischofs Maximian, der heute in San Vitale steht, gesessen
haben soll, ist eine ebenso unbewiesene Annahme wie die Erklärung
einer heute in der Krypta von San Marco in Venedig befindlichen
Säulenstellung aus einer — bisher niemals nachgewiesenen — ehe-
maligen ravennatischen Leichen-Räucherungsanläge (!), die mit dem
Leichnam Theoderichs später von Ravenna nach Venedig geschleppt
sei. Auch seine Herleitung der Bauformen aus der germanischen
Holz- und Flechtbaukunst konnte nicht ohne weiteres überzeugen.
Eine erneute Zusammenfassung des weiter angeschwollenen
Stoffes unternahm noch während der Kriegszeit E. P. Riesenfeld,
wobei er u. a. die Arbeiten von Wulff, Händel und Priess nicht
berücksichtigte. Im übrigen betrachtete auch er mit Durm,
Schulz und Ricci das Denkmal als lediglich römisch-syrisch3.
Seit dieser vor fast zehn Jahren gegebenen Übersicht hat die
Fachwelt, des Streites müde, das Denkmal Dietrichs von Bern ruhen
lassen. Vor Beginn des nach der jetzigen Frei- und Trockenlegung
anhebenden neuen Forschungsabschnittes mögen hier die drei
hauptsächlichen Streitfragen nochmals gedrängt zusammengefaßt
und auf Grund langjähriger Beschäftigung mit dem Gegenstände
an Ort und Stelle und mit seiner Literatur aus der Ferne selb-
ständig beantwortet werden.

1. Entstehungszeit und Zweck beider Geschosse.
Wenn Walter Goetz4 dem Denkmale eine „wunderbar ein-
heitliche Kraft“ zuschreibt, so wird dem jeder von der Größe des
ersten äußeren Eindrucks des Baues und der Erinnerung an den
gewaltigen Erbauer Ergriffene gern zustimmen, aber diese Ein-
1 Darmstadt 1913.
2 Zeitschr. f. Bauwesen, 1916, 1918 u. 1920. Von Karl d. Gr. berichtet
die Legende, die sich auf Thietmar v. Merseb. chron. II, 47 (ed. Kurze S. 90)
nur bei falscher Deutung der Stelle stützen kann (vgl. Einhard, vitaCar. c. 31
u. Linder, Forsch, z. de. Gesch. XIX, 181 ff.), daß er auf einem Thron sitzend
beigesetzt worden sei; vonTheoderich erzählt auch die Legende nichts derartiges.
3 Deutsche Bauzeitung, 1918. 4 Ravenna, Berühmte Kunststätten, 1901.
 
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