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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0010
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10

Ernst Lohmeyer:

Form nachzuweisen. Ist hier auch die Dreihebigkeit der Zeile im
Ganzen gewahrt, so nicht die Vierzeiligkeit der Strophe. Indes
gibt es auch für die dreizeilige Strophenform naheliegende Beispiele.
Das Liedfragment des Epheserbriefes ist in dieser metrischen Form
gehalten1, und in den Oden Salomos tritt sie an vielen Stellen klar
und wie selbstverständlich auf2. In dem kurzen poetischen Spruch
I. Tim. 3,16 scheint nicht nur die Dreizeiligkeit der Strophe, sondern
auch eine Zweihebigkeit der Zeile erkennbar. Von zweihebigen
Zeilen ist auch dieses Lied an einzelnen Stellen deutlich durchsetzt.
Nun ist freilich eine Regelmäßigkeit in dem Wechsel von drei- und
zweihebigen Zeilen nicht erkennbar3; aber solche Freiheit innerhalb
der Grenzen einer bestimmten nur wenig gestaltenden poetischen
Form ist fast ein Kennzeichen semitischer Poesie zu nennen, das
sich wie hier, so früher schon in alttestamentlichen Psalmen und
später in den salomonischen Oden findet. So ergibt sich auch von
hier aus, daß es sich bei unserem Liede um einen Psalm handelt,
gebunden in der Form semitischer Dichtung und geschrieben in
griechischer Sprache.
Sieht man jetzt diesen Text in solchem Lichte, so werden zahl-
reiche sprachliche und stilistische Eigenarten deutlich, die wohl be-
achtet, aber selten gedeutet worden sind. In seinem ersten Teil häufen
sich die Partizipien,die syntaktisch kaum gegliedert sind; er beginnt
unmittelbar mit einer partizipialen Wendung, die den Gegenstand
dieses Liedes feierlich und hieratisch umschreibt. Nun ist solcher
Partizipialstil ein bekanntes semitisches Element der hymnischen
Gebetssprache4; so wird man die Macht dieser geprägten Form
auch hier spüren dürfen5. Freilich finden sich diese Partizipien
nicht in der liturgischen Anrufung oder auch dem hymnischen
Preise eines Gottes. Dieser Psalm hat seine Eigenart darin, daß er
wie in balladenartigem Tone erzählt, daß er deshalb um Verben sich
gleichsam kristallisiert. Aber gerade dieser Verbalstil bezeichnet
1 5, 14: sy£lPE ° xoc-äsüSwv
xod avacnra ix töv vsxpwv
xat, srntpaucsi aoi 6 Xpiavot;.
2 Od. 4. 7. 9 u. ö.
3 Drei- und zweihebige Zeilen wechseln auch in dem Lied über Babel
Apc. Joh. 18, 21—24; vgl. meinen Kommentar z. St.
4 Vgl. E. Norden, Agnostos Theos 201 ft.
5 Das gilt um so eher, als solche Partizipien in semitischer Sprache
kaum möglich wären. Die Peschittha übersetzt sie denn auch (mit Ausnahme
von 7 Ende) durch Verba finita.
 
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