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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0015
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Kyrios Jesus.

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Gegensätze. In der Reinheit, mit der sie aufgestellt sind, erinnern
sie unmittelbar an die Begrifflichkeit hellenischer und hellenistischer
Philosophie. Dennoch ist auch einer flüchtigen Betrachtung schon
ersichtlich, daß sie nicht geschichtlich aus diesem Ursprünge her-
geleitet werden können. Wohl ist die reine Gegenüberstellung von
Mensch und Gott, Sterblichem und Unsterblichem ein heiliges
platonisches Erbe aller späteren hellenistischen Philosophie. Aber
wenn es dort auch möglich ist, in gleicher Schroffheit den gleichen
Gegensatz aufzustellen, so ist es unmöglich, seine Möglichkeit in
dem Begriff der Gestalt zu suchen und seine Überwindung in der
reinen Tat zu finden. Dort sind Logos und Eros die reinen Mächte,
in denen der Gegensatz aufgehoben ist; welches sind sie hier?
Wenn zwischen den Begriffen Gestalt und Tat eine unlösliche
Beziehung besteht, so scheint damit zunächst auf das Gebiet der
Biologie verwiesen zu sein; denn sie entspricht der Korrelation
von Bestand und Leistung, die den Begriff des organischen Lebens
definiert. Nun ist freilich hier Tat nicht Leistung überhaupt,
sondern bestimmtes religiös-ethisches Handeln; und nicht um
biologische, sondern um religiös-metaphysische Probleme handelt
es sich hier. Aber daß diese Tragen, in denen es um die Selbstmäch-
tigkeit und Allmächtigkeit des gläubigen Handelns geht, an bio-
logische Bestimmungen anknüpfen, ist von entscheidender Wichtig-
keit im Negativen wie im Positiven. Diese Beziehung macht es zu-
nächst notwendig, den gesamten Sachverhalt des Glaubens von
jeglichen Bindungen nationaler oder geschichtlicher Art zu befreien.
Es ist die nackte Existenz des Menschen, an die die Tat des Glaubens
gerichtet ist, und dieser Tat ist so ihre schlechthinnige Ereiheit
gesichert. Wichtiger ist in diesem Zusammenhänge vielleicht noch
ein anderes: Soll dem Glauben seine eigentümliche Autonomie
und Spontaneität gewahrt bleiben, so kann er nur als letzter
Bestimmungsgrund der naturhaften Existenz begriffen werden.
So wird sie in den Bereich der gläubigen Tat hineingezogen, es
entsteht der Gedanke eines Daseins, das rein durch religiös-ethi-
sches Handeln bestimmt ist; konkreter gesprochen, das Reich des
Glaubens wandelt sich zur himmlischen Welt, in der die Begriffe
Gestalt und Tat wie in ewigem Maße ausgewogen sind, und was
sie erfüllt, ist in strengem Sinne Sein und Leben. Wenn aber so
eine religiöse Metaphysizierung des biologischen Begriffes der Ge-
stalt notwendig wird, so auch umgekehrt, um es einmal so auszu-
drücken, eine Biologisierung des metaphysischen Begriffes der Tat.
 
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