Kyrios Jesus.
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und das göttliche Dasein bleibt der ethischen Setzung und Norm
seine Existenz schuldig. Wohl ist dieser Sachverhalt zunächst
nichts anderes als eine notwendige Bestimmung des Begriffes des
Glaubens, aber das Eigentümliche hegt hier in der Verbindung
dieses Glaubenssatzes mit der metaphysischen Konzeption zweier
in dialektischem Widerspruch stehenden Welten. Fragt man nach
ihrer geschichtlichen Bestimmung, so gibt es auf vorderorientalb
schein Boden nur eine sachliche Analogie; es ist die Verkündung
Zarathustras. In grandioser Einseitigkeit hat sie die Norm des
Sittlichen als die letzte Bestimmung und den letzten Grund alles
naturhaften und geschichtlichen Daseins gesetzt. In ihr bedingt
die religiöse ethische Tat auch die Form und den Sinn des gött-
lichen Daseins, wie von ihr der Bestand des religiösen Daseins der
Gläubigen abhängig ist.
So begreift sich denn die Notwendigkeit der ethischen Tat.
Sie ist in strengem Sinn die Quelle alles Geschehens und Lebens,
die einzige und gültige Mitte von Sinn und Wirklichkeit. So stehen
denn auch hier Handlungen in dem Zentrum des Gedichtes, und
selbst Geburt und Tod erscheinen nicht mehr als Ereignisse, sondern
eben als Taten. So bestimmt sich auch der Begriff der Gestalt.
Er ist mehr als die Schale, die einen Kern umschließt, mehr auch
als die Form, die eine Substanz prägt; er umfaßt die ganze Fülle
des Daseins. Aber diese Fülle steht auch unter doppeltem Gesichts-
punkt: Sie kann als die ,,Wirklichkeit der ethischen Tat ver-
standen werden, so gehört sie der Sphäre der göttlichen Welt
an; und die Wirklichkeit der Tat kann durch die Gegebenheit der
Gestalt bedingt sein, so gehört sie der irdischen Welt an.
1.
Sind mit alledem, um es einmal so zu nennen, die weltanschau-
lichen Voraussetzungen richtig bestimmt — und in der Tat handelt
es sich hier um eine eigentümliche Art von rationaler Weltdeu-
tung —, so eröffnen sich auch Wege zu dem genaueren Verständnis
dessen, was die erste Strophe an einzelnen Bestimmungen bringt.
Mit den Worten: sv gopcpp üsou ÖTcapyow wird zunächst das
anfängliche Wesen dessen bezeichnet, der der Träger alles folgenden
Tuns und Geschehens ist. Sie sind geschichtlich und sachlich
merkwürdig genug1. Niemals begegnet im Alten Testament ein
1 Das Wort goppy] steht im NT nur noch im unechten Mk-Schluß (16,12):
Eöocvepco-ib) sv erspoc (loppf). Daß das Wort als religiöser Terminus indes dem
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1927/28. 4. Abh.
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und das göttliche Dasein bleibt der ethischen Setzung und Norm
seine Existenz schuldig. Wohl ist dieser Sachverhalt zunächst
nichts anderes als eine notwendige Bestimmung des Begriffes des
Glaubens, aber das Eigentümliche hegt hier in der Verbindung
dieses Glaubenssatzes mit der metaphysischen Konzeption zweier
in dialektischem Widerspruch stehenden Welten. Fragt man nach
ihrer geschichtlichen Bestimmung, so gibt es auf vorderorientalb
schein Boden nur eine sachliche Analogie; es ist die Verkündung
Zarathustras. In grandioser Einseitigkeit hat sie die Norm des
Sittlichen als die letzte Bestimmung und den letzten Grund alles
naturhaften und geschichtlichen Daseins gesetzt. In ihr bedingt
die religiöse ethische Tat auch die Form und den Sinn des gött-
lichen Daseins, wie von ihr der Bestand des religiösen Daseins der
Gläubigen abhängig ist.
So begreift sich denn die Notwendigkeit der ethischen Tat.
Sie ist in strengem Sinn die Quelle alles Geschehens und Lebens,
die einzige und gültige Mitte von Sinn und Wirklichkeit. So stehen
denn auch hier Handlungen in dem Zentrum des Gedichtes, und
selbst Geburt und Tod erscheinen nicht mehr als Ereignisse, sondern
eben als Taten. So bestimmt sich auch der Begriff der Gestalt.
Er ist mehr als die Schale, die einen Kern umschließt, mehr auch
als die Form, die eine Substanz prägt; er umfaßt die ganze Fülle
des Daseins. Aber diese Fülle steht auch unter doppeltem Gesichts-
punkt: Sie kann als die ,,Wirklichkeit der ethischen Tat ver-
standen werden, so gehört sie der Sphäre der göttlichen Welt
an; und die Wirklichkeit der Tat kann durch die Gegebenheit der
Gestalt bedingt sein, so gehört sie der irdischen Welt an.
1.
Sind mit alledem, um es einmal so zu nennen, die weltanschau-
lichen Voraussetzungen richtig bestimmt — und in der Tat handelt
es sich hier um eine eigentümliche Art von rationaler Weltdeu-
tung —, so eröffnen sich auch Wege zu dem genaueren Verständnis
dessen, was die erste Strophe an einzelnen Bestimmungen bringt.
Mit den Worten: sv gopcpp üsou ÖTcapyow wird zunächst das
anfängliche Wesen dessen bezeichnet, der der Träger alles folgenden
Tuns und Geschehens ist. Sie sind geschichtlich und sachlich
merkwürdig genug1. Niemals begegnet im Alten Testament ein
1 Das Wort goppy] steht im NT nur noch im unechten Mk-Schluß (16,12):
Eöocvepco-ib) sv erspoc (loppf). Daß das Wort als religiöser Terminus indes dem
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1927/28. 4. Abh.
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