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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0032
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32

Carl Brinkmann:

gelernt oder lernend gespielt. Ein Absprecher-, Einreißer- und
Tobegeist, nicht aus Übermaß neuer Erfindungen und Wahrheiten,,
aus innerer Kopfleere und Herzenskälte, treibt überall sein Un-
wesen. Haben nicht von Basedow56 und Bahrdt an die Ober-
flächlichkeit, das Vornehmtun, die Luftbauerei, Sittlichkeit weg-
reden wollen, das Heiligste niederzuspotten, alles zu können glau-
ben, immer alles besser wissen wollen, Verachtung gründlicher
Wissenschaft und Gelehrsamkeitstäuscherei unser Bücherwesen ge-
schändet ? Hat es an Bankrottierern gefehlt ? Sind jemals so viele
ungeschickte Kriegshauptleute von hohem, niederen und mittleren
Rang erschienen, wie an den Tagen der Entscheidung in den Todes-
kämpfen des tausendjährigen Deutschen Reichs? Hat es je so
viele Staats- und Volksverderber unter Staatsdienern gegeben ?
Durch die Zersplitterung der Bildungsanstalten ist eine wechsel-
seitige Verachtung der notwendigen natürlichen Stände herrschend
geworden. Kriegshauptleute (seit der Zeit, wo sie nicht aus der
Schule des Feldes, sondern aus besonderen Kriegs-Lehrschulen
hervorgegangen sind) nennen alle übrigen Menschen "Leute ohne
Ehre’, "Leute die keine Ehre im Leibe haben’, ja tun auf ihre Ehre
und Pflicht Machtsprüche gegen den gesunden Menschenverstand.
Die jungen angehenden Gelehrten bespötteln die Handwerker mit
dem Namen "Knoten’. Der Kaufmann ist in Bildung desVerstandes,
in Veredelung des Herzens zurückgeblieben, versteht aber ohne alle
Männlichkeit und Deutschheit dennoch im Laden zu glänzen; daher
wieder von andern Ständen sein Ekelname "Ellenritter und Laden-
schwengel’. Alle seine Kräfte sind nur für Gewinn wie beim Schacher-
juden, und für sonst nichts. Und welchen hohen Rang nahm nicht
der wackere deutsche Kaufmannsstand auch noch nach der unter-
gegangenen Hansa ein! Seit Luther, der in seiner Haustafel nur
den Lehr-, Wehr- und Nährstand kennt, sind unzählige Rang-
ordnungen von Herunterreißen, Hinaufdrängen, Überspringen ent-
standen. Man muß sogar schon "an den Herrn Bedienten’ und "die
56 Der auf den ersten Blick überraschende Gegensatz gegen die Erzie-
hungsreformer des 18. Jahrhunderts wird entwicklungsgeschichtlich verständ-
licher, wenn man bei einem andern von ihnen, dem Schnepfenthaler C. G.
Salzmann, im „Vorbericht“ zu den „Denkwürdigkeiten aus dem Leben aus-
gezeichneter Teutschen des 18. Jahrhunderts“ noch 1802 liest: „Es ist gewiß
eine rühmliche Eigenheit des Teutschen, daß er wenig Nationalstolz besitzt.“
Über die Kritik von Arndts „Fragmenten über Erziehung“ (1805) an Base-
dow und an der Verkennung der „Mutter“ durch Pestalozzi s. Müsebeck
139, 151.
 
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