Metadaten

Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0019
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Jungfrauensohn und Krippenkind.

19

an die „Jungfrau“ Maria wohl von Anbeginn schon auf das Wunder
der Jungfrauengeburt. Das wird vielleicht auch durch den Wort-
laut der Verheißung 1, 31 bestätigt; denn er zeigt engste Berüh-
rung nur mit einer Stelle des Alten Testaments in griechischer
Sprache, mit Jes. 7, 141, der Weissagung, die im griechischen Text
besagt, daß „die Jungfrau schwanger werden und einen Sohn ge-
bären“ wird. Es liegt also zum mindesten kein literarischer Grund,
vor, die Verse Lk. 1, 34—37 aus der Legende auszuscheiden.
Ob aber die Verkündigungs-Legende aus Lk. 1 mit dem Ge-
danken der göttlichen Zeugung wirklich einen fremden Stoff ein-
führt, der sich mit ihrem Inhalt schlecht verträgt, das muß eine
Untersuchung zum Thema „Jungfrauengeburt“ zeigen.
III.
Die wunderbare Erzeugung Jesu wird an zwei Stellen des
Neuen Testaments behauptet, Lk. 1, 26—38 und Mt. 1, 18—252.
Beiden Texten ist dies gemeinsam, daß weder die Begattung durch
einen Gott oder göttlichen Geist als Vorgang erzählt noch die Ge-
burt des Kindes unter wunderbarer Erhaltung der Jungfrauschaft
der Mutter geschildert wird. Da andere, auch christliche, Texte
dergleichen enthalten, ist diese Feststellung an den beiden ältesten
christlichen Darstellungen wichtig. Beide aber wollen, wenn auch
1 Man vergleiche: Lk. 1, 31 καί ιδού συλλήμψρ έν γαστρί καί τέξη υιόν, καί
καλέσεις τό όνομα αύτοΰ Ίησοΰν —· Jes. 7, 14 ιδού ή παρθένος έν γαστρί λήμψεται
καί τέξεται υιόν, καί καλέσεις τό όνομα αύτοΰ Εμμανουήλ. Die Wendung έν
γαστρί λαμβάνειν wird im Futurum von einer Kindesverheißung im Alten
Testament nur an dieser Stelle gebraucht; die\ütriante έξει erklärt sich wohl
aus dem Einfluß der zahlreichen LXX-Stellen, die έχειν έν γαστρί haben.
2 Daß die Weihnachtsgeschichte Lk. 2 sie nicht voraussetzt, ist oben
gezeigt; daß Paulus nicht von ihr weiß, wird noch zur Sprache kommen. —
In der Stelle Job. 1, 13 bietet die Überlieferung fast einhellig οΐ ούκ έξ αιμάτων
ουδέ έκ θελήματος σαρκός ουδέ έκ θελήμ,ατος άνδρός άλλ’ έκ θεοΰ έγεννήθησαν,
läßt also die Worte von der „geistlichen“ Geburt des Gläubigen handeln. Die
Kirche ist, wie auch andere Texte zeigen, gegen solches Pneumatikertum bald
mißtrauisch geworden. Außerdem lag es nahe genug, in ähnlichen Worten
wie Joh. 1, 13 von der wunderbaren Geburt Jesu zu reden, wenn diese ein-
mal feststand: so tut es Justin Dialogus 63, 2. So kam es begreiflicherweise zu
Textänderungen, wie sie wahrscheinlich schon Irenaeus III 16, 2. 19, 2 (V 1, 3?)
bezeugt, ferner derCodex Yeronensis b (qui natus est), Tertullian und andere
abendländische Autoren. Man kann sich nur wundern, daß erbaulicher Ge-
brauch und dogmatisches Bedürfnis die Änderung nicht in größerem Umfang
durchgesetzt haben.

2*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften