Jungfrauensohn und Krippenkind.
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mache von Arybbas“ (ihrem Gatten) „einen Sohn“. In keinem
dieser Berichte ist von der Vermählung eines Gottes mit einer
Sterblichen die Rede. Wo von Begattung gesprochen wird, handelt
es sich um das heilige Tier des Gottes; wo der Gott seihst behan-
delt, wird ausdrücklich betont, daß der Sohn das Kind des Ehe-
manns ist. In diesen Texten lesen wir also ganz verschiedene Schil-
derungen von einer Zeugung durch den Gott. Sie beruht nicht auf
der Vermählung mit dem Gott, sondern auf minder massiven und
komplizierteren Vorstellungen, die göttliche Würde und weibliche
Ehre besser zu wahren wissen als die Mythen vom Ιερός γάμος. Im
Anschluß an solche sublimierteren Schilderungen konnte das Juden-
tum seine Vorstellungen von göttlicher Erzeugung ausbilden. Dabei
wurde das Recht des Ehemanns nicht geschmälert; Gott wirkte
ohne jeden Anthropomorphismus als Schöpfer, nicht als Liebhaber;
dem Kinde aber wurde die göttliche Herkunft bezeugt.
V.
Die hier aus Paulus und Philo erschlossene, aus der Analogie
derEpidauros-Berichte verständlich gemachte hellenistisch-jüdische
Vorstellung von göttlicher Erzeugung ist von Christen auf die
Erzeugung Jesu angewandt worden. Das ist fast selbst-
verständlich. Denn hier galt es die Herkunft des Messias zu be-
gründen; wenn jenen Großen das Prädikat des von Gott oder κατά
πνεύμα Erzeugten zugebilligt war, so mußte es dem endzeitlichen
Gesandten Gottes erst recht gebühren. Wenn aber bei jenen nur
die Tatsache göttlicher Herkunft festgestellt, der Vorgang der Er-
zeugung aber nicht beschrieben wurde, so ist es wahrscheinlich,
daß auch die Christen die Erzeugung Jesu durch den heiligen Geist
zunächst nur verkündeten, nicht schilderten. Als Theologu-
menon, nicht als Erzählung (Legende oder Mythus) wird Jesu
wunderbare Erzeugung zuerst in der Predigt der Christen auf-
getreten sein.
Man darf dieser Vermutung nicht mit dem Gedanken entgegen-
treten, daß Erzählungen in der Entwicklung einer Religion primärer
seien als Tbeologumena. Schon für primitive Religionen ist dieser
Satz von nicht eindeutiger Geltung. Vollends gilt er nicht für eine
Religion wie das Christentum, die zunächst innerhalb einer anderen
Religion als eschatologische Botschaft hervortrat. Vorstellungen
über Gott, Welt und Zeit waren dem Christentum von Haus aus
gegeben; die christliche Botschaft gab ihnen die aktuelle Zuspit-
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mache von Arybbas“ (ihrem Gatten) „einen Sohn“. In keinem
dieser Berichte ist von der Vermählung eines Gottes mit einer
Sterblichen die Rede. Wo von Begattung gesprochen wird, handelt
es sich um das heilige Tier des Gottes; wo der Gott seihst behan-
delt, wird ausdrücklich betont, daß der Sohn das Kind des Ehe-
manns ist. In diesen Texten lesen wir also ganz verschiedene Schil-
derungen von einer Zeugung durch den Gott. Sie beruht nicht auf
der Vermählung mit dem Gott, sondern auf minder massiven und
komplizierteren Vorstellungen, die göttliche Würde und weibliche
Ehre besser zu wahren wissen als die Mythen vom Ιερός γάμος. Im
Anschluß an solche sublimierteren Schilderungen konnte das Juden-
tum seine Vorstellungen von göttlicher Erzeugung ausbilden. Dabei
wurde das Recht des Ehemanns nicht geschmälert; Gott wirkte
ohne jeden Anthropomorphismus als Schöpfer, nicht als Liebhaber;
dem Kinde aber wurde die göttliche Herkunft bezeugt.
V.
Die hier aus Paulus und Philo erschlossene, aus der Analogie
derEpidauros-Berichte verständlich gemachte hellenistisch-jüdische
Vorstellung von göttlicher Erzeugung ist von Christen auf die
Erzeugung Jesu angewandt worden. Das ist fast selbst-
verständlich. Denn hier galt es die Herkunft des Messias zu be-
gründen; wenn jenen Großen das Prädikat des von Gott oder κατά
πνεύμα Erzeugten zugebilligt war, so mußte es dem endzeitlichen
Gesandten Gottes erst recht gebühren. Wenn aber bei jenen nur
die Tatsache göttlicher Herkunft festgestellt, der Vorgang der Er-
zeugung aber nicht beschrieben wurde, so ist es wahrscheinlich,
daß auch die Christen die Erzeugung Jesu durch den heiligen Geist
zunächst nur verkündeten, nicht schilderten. Als Theologu-
menon, nicht als Erzählung (Legende oder Mythus) wird Jesu
wunderbare Erzeugung zuerst in der Predigt der Christen auf-
getreten sein.
Man darf dieser Vermutung nicht mit dem Gedanken entgegen-
treten, daß Erzählungen in der Entwicklung einer Religion primärer
seien als Tbeologumena. Schon für primitive Religionen ist dieser
Satz von nicht eindeutiger Geltung. Vollends gilt er nicht für eine
Religion wie das Christentum, die zunächst innerhalb einer anderen
Religion als eschatologische Botschaft hervortrat. Vorstellungen
über Gott, Welt und Zeit waren dem Christentum von Haus aus
gegeben; die christliche Botschaft gab ihnen die aktuelle Zuspit-