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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0044
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Martin Dibelius:

44
ägyptische Theologie die Forderung der Jungfrauschaft für den
Umgang mit Gott vertreten habe, und daß ein solches Theolo-
gumenon im hellenistischen Judentum verwendet worden sei. Für
die Marienlegende braucht man ein solches Theologumenon nur
indirekt zum Verständnis, nicht zur unmittelbaren Erklärung; es
genügt dafür die Voraussetzung, daß die Jungfrau allein als Gottes
würdig gelte1; wenn dies im hellenistischen Judentum angenommen
(d. h. aus ägyptischer Theologie aufgenommen) war, so verstehen
wir, warum die göttliche Erzeugung Jesu von der Legende mit
einer Jungfrau in Verbindung gebracht wird.
VI.
Die erste christliche Form der hier untersuchten Vorstellung
war das Theologumenon von der Geburt aus dem Geist; die zweite
wurde durch die liegende von der Erzeugung aus der Jungfrau
bezeichnet. Man wird es für wahrscheinlich halten müssen, daß
die Legende ursprünglich von einem Verlobten der Maria nichts
sagte noch wußte. Auch die Legende von dem Stern der Magier,
die vermutlich einmal isoliert umgelaufen ist (d. h. ohne Erwäh-
nung des Herodes, des Kindermords und der Flucht nach Ägypten),
sagt auffälligerweise in dem Text Mt. 2, 1—12 kein Wort von dem
irdischen Vater des Kindes2. Aus dem Traditionsstoff des J^ebens
1 Dieser Gedanke ist natürlich nicht auf Ägypten beschränkt. Eugen
Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum führt S. 3ff. nicht nur die
weiter unten zu besprechenden Beispiele von Platos und Alexanders Erzeu-
gung an, sondern auch S. 7 die kultischen Vorschriften für die Pythia und
die Priesterinnen des Apollon in Patara und Larisa: die Frau, „die des ge-
schlechtlichen Verkehrs mit einem Gott gewürdigt“ ist, muß „sich der Liebe
eines Mannes enthalten“ (Fehrle S. 6f.).
2 Auf eine Dekomposition der Erzählung Mt. 2, die hier wohl am Platze
wäre, glaube ich verzichten zu müssen. Denn die ganze Komposition ist von
dem Zug der Magier bis zur Rückkehr aus Ägypten vom Evangelisten gestaltet.
Daß verschiedene Stoffe vorliegen, sieht man zunächst aus der oben erwähnten
Behandlung des Josef, der in 2, 1—12 überhaupt nicht erwähnt wird und als-
dann 2, 13—23 die Führerrolle übernimmt. — Aber im Zusammenhang der
oben S. 38ff. gegebenen Ausführungen sei wenigstens eine Beobachtung vor-
getragen. Auch das Erscheinen des Sternes in Verbindung mit dem Beginn
des neuen Äons ist wohl zunächst als Theologumenon, wenn man will: als
Mythologumenon, verkündet worden, bevor es in erzählender Form, als
Legende, in der Überlieferung seinen Platz fand. Wenigstens möchte ich aus
der bekannten Darstellung bei Ignatius an die Epheserl9, 2 άστήρ έν ούρανω
ελαμψεν ύπέρ πάντας τούς άστέρας einen Mythus erschließen, der unabhängig von
Mt. 2 ist. Vielleicht handelte er von dem Erscheinen des Erlösers als Stern
 
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