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Martin Dibelius:
die von der Vermählung eines Gottes mit einer Sterblichen berichten
und von der auf solche Weise erfolgten Erzeugung eines göttlichen
Kindes.
Die wissenschaftliche Behandlung dieser Frage pflegt eine Fülle
von Parallelen aus Babylon und Ägypten, Indien und Persien,
Griechenland und Bom zu häufen1. Für unsere Betrachtung ist
der Kreis dieser Parallelen bereits wesentlich verengt. Denn es
handelt sich für uns nicht um die göttliche Abkunft überhaupt, die
sich bei Jesus aus Voraussetzungen des hellenistischen Judentums
erklärt; und darum kommt weder die Erzeugung ägyptischer
Könige durch Amon-Re2 noch die Bezeichnung assyrisch-baby-
lonischer Könige als Söhne einer Göttin in Betracht (diese böte
überhaupt keine Analogie!). Es handelt sich aber für uns auch
nicht um die Begnadung der Jungfrau mit dem göttlichen Kind;
denn dieses Jungfrauenmotiv scheint aus ägyptischer Theologie in
die hellenistisch-jüdische gekommen zu sein; hier wäre also der
indirekte Ursprung in Ägypten bereits als wahrscheinlich erwiesen.
Darum scheiden aus dem Parallelenkreise die Beispiele der kom-
menden indischen und persischen Heilsträger, die Bodhisattvas und
der Saoshyant, aus3.
1 Das Material aus dem klassischen Altertum findet man am besten bei
Usener, Religionsgeschichtl. Untersuchungen P 71—76, die beste Führung
durch das Labyrinth der Theogamien und göttlichen Erzeugungen von China
bis Rom bietet Clemen, Religionsgeschichtl. Erklärung des Neuen Testa-
ments2 117—121.
2 Erman, Ägypt. Religion2 49; Gressmann, Weihnachtsevangelium
441'.; Norden, Geburt des Kindes 83.
3 Die Bodhisattvas, die künftigen Buddhas, werden, allerdings erst nach
späterer Lehre einer Schule, jungfräulich geboren; siehe Clemen, Religions-
geschichtl. Erklärung des Neuen Testamentes2 117. Der persische künftige
Erlöser, der Saoshyant, wird erzeugt, indem ein Mädchen im See Ivasava badet,
in den Zarathustras Same gefallen ist; vgl. Lehmann bei Chantepie de la
Saussaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte4 253f. Vgl. auch Hieronymus
Adv. Jovinianum I 42 apud Gymnosophistas Indiae. . . traditur quod Buddam
.e latere suo virgo generarit. Socrates, Hist. eccl. I 22 Βούδδας, πρότερον
Τερέβινθος καλούμενος, φάσκων έκ παρθένου γεγενησθαι, καί έν ορεσιν άνατετράφθαι.
Zum Ganzen siehe van den Bergh van Eysinga, Indische Einflüsse auf
evangelische Erzählungen 19; Garbe, Indien und das Christentum 31 f. Die
Geburtslegende Ivrischnas kommt darum nicht in Betracht, weil nach ihrer
ältesten Fassung Ivrischna als achter Sohn der Devaki, der Gemahlin des
Vasudeva, geboren wird, also kein göttlich erzeugter Jungfrauensohn ist.
Übrigens kennen wir diese Legende nur aus Werken der christlichen Jahr-
hunderte. dem ITarivamscha, dem Vischnu-Purana, dem Brahma-Purana,
dem Bhägavata-Purana. Vgl. Garbe a. a. O. 220, v. Glasenapp, der Hin-
Martin Dibelius:
die von der Vermählung eines Gottes mit einer Sterblichen berichten
und von der auf solche Weise erfolgten Erzeugung eines göttlichen
Kindes.
Die wissenschaftliche Behandlung dieser Frage pflegt eine Fülle
von Parallelen aus Babylon und Ägypten, Indien und Persien,
Griechenland und Bom zu häufen1. Für unsere Betrachtung ist
der Kreis dieser Parallelen bereits wesentlich verengt. Denn es
handelt sich für uns nicht um die göttliche Abkunft überhaupt, die
sich bei Jesus aus Voraussetzungen des hellenistischen Judentums
erklärt; und darum kommt weder die Erzeugung ägyptischer
Könige durch Amon-Re2 noch die Bezeichnung assyrisch-baby-
lonischer Könige als Söhne einer Göttin in Betracht (diese böte
überhaupt keine Analogie!). Es handelt sich aber für uns auch
nicht um die Begnadung der Jungfrau mit dem göttlichen Kind;
denn dieses Jungfrauenmotiv scheint aus ägyptischer Theologie in
die hellenistisch-jüdische gekommen zu sein; hier wäre also der
indirekte Ursprung in Ägypten bereits als wahrscheinlich erwiesen.
Darum scheiden aus dem Parallelenkreise die Beispiele der kom-
menden indischen und persischen Heilsträger, die Bodhisattvas und
der Saoshyant, aus3.
1 Das Material aus dem klassischen Altertum findet man am besten bei
Usener, Religionsgeschichtl. Untersuchungen P 71—76, die beste Führung
durch das Labyrinth der Theogamien und göttlichen Erzeugungen von China
bis Rom bietet Clemen, Religionsgeschichtl. Erklärung des Neuen Testa-
ments2 117—121.
2 Erman, Ägypt. Religion2 49; Gressmann, Weihnachtsevangelium
441'.; Norden, Geburt des Kindes 83.
3 Die Bodhisattvas, die künftigen Buddhas, werden, allerdings erst nach
späterer Lehre einer Schule, jungfräulich geboren; siehe Clemen, Religions-
geschichtl. Erklärung des Neuen Testamentes2 117. Der persische künftige
Erlöser, der Saoshyant, wird erzeugt, indem ein Mädchen im See Ivasava badet,
in den Zarathustras Same gefallen ist; vgl. Lehmann bei Chantepie de la
Saussaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte4 253f. Vgl. auch Hieronymus
Adv. Jovinianum I 42 apud Gymnosophistas Indiae. . . traditur quod Buddam
.e latere suo virgo generarit. Socrates, Hist. eccl. I 22 Βούδδας, πρότερον
Τερέβινθος καλούμενος, φάσκων έκ παρθένου γεγενησθαι, καί έν ορεσιν άνατετράφθαι.
Zum Ganzen siehe van den Bergh van Eysinga, Indische Einflüsse auf
evangelische Erzählungen 19; Garbe, Indien und das Christentum 31 f. Die
Geburtslegende Ivrischnas kommt darum nicht in Betracht, weil nach ihrer
ältesten Fassung Ivrischna als achter Sohn der Devaki, der Gemahlin des
Vasudeva, geboren wird, also kein göttlich erzeugter Jungfrauensohn ist.
Übrigens kennen wir diese Legende nur aus Werken der christlichen Jahr-
hunderte. dem ITarivamscha, dem Vischnu-Purana, dem Brahma-Purana,
dem Bhägavata-Purana. Vgl. Garbe a. a. O. 220, v. Glasenapp, der Hin-