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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0069
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

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Hirten“ im Mithras-Mythus gesprochen1; er meint allerdings min-
destens die künstlerische Abhängigkeit auf der Seite der Mithras-
Mysterien annehmen zu können2. Die Frage ist für die Untersuchung
der Weihnachtsgeschichte so wichtig, daß ich etwas ausführlicher
darauf eingehen muß.
Die Denkmäler, auf denen man überhaupt so etwas wie Hirten
oder Herdentiere wahrzunehmen glaubt, gehören fast alle einer
bestimmten Gruppe an; es sind die Monumente der Donauländer,
zumeist aus Dacien und Pannonien, die, kleineren Umfangs, außer
dem Mittelbild des stiertötenden Gottes nur am oberen und am
unteren Rande Bilderstreifen mit Darstellungen aus dem Mithras-
Mythus aufweisen. Die bilderreichen großen Denkmäler aber, zu-
meist des Rheingebietes, enthalten keinerlei Hirtenszenen; die
berühmten Darstellungen von Mauls, Neuenheim, Osterburken,
Heddernheim und Saarburg mit ihrer Fülle von Einzelszenen, auch
das ganz anders geartete Denkmal von Dieburg3, bleiben uns also
die Antwort auf unsere Frage schuldig.
Die Denkmäler jener Donaugruppe unterscheiden sich von
denen der Rheingruppe, von wenigen Ausnahmen abgesehen, da-
durch, daß die Geburt des Gottes aus dem Felsen rechts oben ab-
gebildet ist, so daß man bei der Betrachtung der Taten des Gottes
im allgemeinen von rechts nach links fortschreiten muß, während
die rheinischen Denkmäler in der umgekehrten Dichtung zu deuten
sind. Das ist vielleicht ein Zeichen für den engeren Anschluß der
Donaugruppe an die Kunst des Ostens, die wie die semitische
Schrift die Bewegung des Blickes von rechts nach links verlangt4.
In der fraglichen Bilderreihe am oberen Rande der dacischen und
pannonischen Monumente5 ist nun im allgemeinen Folgendes zu
sehen: die Felsgeburt, darüber als rechtes oberes Eckbild ein Luna-
Kopf, dicht dabei ein liegender bärtiger Mann, wahrscheinlich
1 Cu Mo nt, Textes et Monumentes relatifs aux Mysteres de Mithra I 162.
2 Cumont, Die Mysterien des Mithra2, Deutsche Ausgabe von Gehrich,
S. 184,
3 Behn, Das Mithras-ITeiligtum zu Dieburg (Rom.-Germ. Forschungen I)
1928; für die anderen Denkmäler s. Cumont, Textes etc. II.
4 Diese außerordentlich wichtige Beobachtung verdanke ich dem Buch
von Fritz Saxl: Mithras 1931, S. 39f.
5 Es handelt sich vor allem um die Monumente aus Apulum (Cumont,
Textes II Nr. 192, 192 bis) und Potaissa (204) sowie um Fragmente aus
Sarmizegetusa (167. 172—74); vgl. auch Nr. 214. 215, Daraus ergeben sich
dann Folgerungen für die Deutungen von Nr. 194. 195.
 
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